Beobachter
Autokennzeichens noch helfen würde.
5
Das Handy klingelte. Gillian erkannte die Mobilnummer von John auf dem Display und zögerte kurz. Dann beschloss sie, den Anruf entgegenzunehmen. John hatte ihr nichts getan.
»Hallo, John«, sagte sie.
»Hallo, Gillian.« Er klang erleichtert. Wahrscheinlich hatte er genau das gefürchtet: Dass sie seine Nummer sehen und daraufhin nicht reagieren würde. »Wie geht es dir?«
»Alles in Ordnung.«
»Wirklich?«
»Ja. Oder«, sie korrigierte sich: » Alles in Ordnung ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck nach allem, was geschehen ist. Aber ich fange mich. Das Leben wird weitergehen.«
»Bist du immer noch mit dem Ausräumen des Hauses beschäftigt?«
»Im Augenblick nicht.« Sie überlegte, aber dann dachte sie, dass sie ihm zumindest weitgehend reinen Wein einschenken konnte. »Ich bin nicht daheim. Ich bin wieder bei Tara.«
Von der anderen Seite kam Schweigen.
»Dann habe ich natürlich schlechte Karten«, sagte John schließlich.
»John …«
»Sie ist komplett gegen mich. Und inzwischen dürfte sie dich mit all ihren Vorbehalten ja auch überzeugt haben.«
»Wir haben überhaupt nicht mehr über dich gesprochen. Ich bin wieder zu ihr gezogen, weil ich mich allein in dem großen Haus nicht mehr wohl gefühlt habe.« Sie unterschlug die Vorkommnisse jenes Abends. Schließlich wusste sie immer noch nicht, ob sie nicht einer Einbildung erlegen war. »Ich muss einfach sehen, wie ich am besten zurechtkomme. In deinen Augen verfolge ich wahrscheinlich einen sinnlosen Zickzackkurs. Vielleicht ist das ja auch wirklich so. Aber ich habe den geraden Weg noch nicht gefunden. In meinem Leben ist nichts mehr, wie es war.«
»Können wir uns sehen?« Er klang fast flehentlich.
»Nein. Es ist…«
»Bitte, Gillian. Nur sehen. Einen Kaffee zusammen trinken. Über Belanglosigkeiten reden. Ich verspreche dir, dich nicht mehr wegen einer gemeinsamen Zukunft zu bedrängen. Ich will dich nur sehen. «
»Es geht nicht, John. Ich verlasse heute die Stadt. In wenigen Stunden.«
»Du reist schon nach Norwich ab?«
»Nein, noch nicht.« Sie trat an die Balkontür, schaute über die schneebedeckte Brüstung draußen in den anthrazitgrauen Himmel über London. Sie fragte sich nicht zum ersten Mal in ihrem Leben, wie man es nur Jahr für Jahr schaffte, den Januar zu überstehen. »Ich werde eine Weile untertauchen. Mich in irgendein Hotel auf dem Land zurückziehen. Hoffen, dass sich alles aufklärt und ich dann versuchen kann, mir wieder ein halbwegs normales Leben aufzubauen.«
Damit weiß er ja noch nicht, wo ich hingehen werde, beruhigte sie sich. Ich weiß es ja selbst nicht einmal.
Er wirkte völlig perplex. »In ein Hotel? Warum das denn? Auf dem Land? Wo? In welches Hotel?«
»Das spielt doch keine Rolle. Ich bleibe dort eine Zeit lang, ordne mein Leben neu und versuche dann wieder, Boden unter den Füßen zu finden.«
»Warum bleibst du nicht bei Tara?«
»Es ist einfach besser so.«
»Gillian«, sagte er beschwörend, »da stimmt doch irgendetwas nicht! Wovor versteckst du dich? Oder – vor wem? Warum bist du aus eurem Haus wieder ausgezogen, obwohl du dort wegen deiner Umzugspläne genug zu tun hättest? Warum ziehst du jetzt bei Tara wieder aus? In die Anonymität eines Hotels? Warum, Gillian? Du wirkst auf mich wie ein Mensch, der auf der Flucht ist!«
»Ich bin ein Mensch, der herausfinden muss, wie es weitergeht, John. Das ist alles.«
»Aber du findest das doch nicht heraus, indem du ständig deinen Aufenthaltsort wechselst. Steckt Detective Inspector Fielder dahinter? Will er dich an einem unbekannten Ort in Sicherheit bringen?«
»Die Polizei hat keine Ahnung davon.«
Er schwieg eine Weile. Dann fragte er leise: »Versteckst du dich vor mir?«
»Warum sollte ich mich vor dir verstecken?«
»Weil sie gegen mich hetzt. Tara. Keine Ahnung, was sie dir erzählt hat. Aber ich habe heute erfahren, dass sie sich meine Ermittlungsakte von damals hat geben lassen. Und das wird sie nicht ohne Grund getan haben.«
Gillian war ehrlich überrascht. »Deine Ermittlungsakte? Davon hat sie mir nichts erzählt.«
»Wahrscheinlich solltest du nicht wissen, dass sie mir hinterherspioniert. Aber sie hat die Akte definitiv in den Händen gehabt. Und mit Sicherheit akribisch studiert.«
Gillian wandte sich vom Fenster ab.
Sie ist meine Freundin. Es passt zu ihr, so etwas zu tun.
Sie sprach es laut aus. »Sie ist meine Freundin, John. Sie hat sich vermutlich
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