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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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denen Kinder vertrauensvoll mitgehen, und hinterher wird es ihnen zum Verhängnis.«
    »Ich werde morgen noch einmal sehr ausführlich mit ihr sprechen«, sagte Gillian.
    Und ich werde John nicht wiedersehen, schwor sie sich, eine solche Situation darf es nicht mehr geben.
    Sie meinte damit nicht nur den Umstand, dass ihre Tochter verzweifelt vor der Tür gestanden hatte und nicht ins Haus gekommen war. Sie meinte alles: das Lügen. Das eilige Nachhausefahren. Das verschämte Duschen.
    Wahrscheinlich war sie für ein Leben in zwei Welten nicht geschaffen.
    Sie fing plötzlich an zu weinen. Leise und unterdrückt in ihr Kissen hinein. Sie dachte daran, wie es mit John im Bett gewesen war. Wie wild. Wie zärtlich. Sie dachte an seine Wohnung, die in ihrer Kargheit einen solchen Kontrast zu ihrem eigenen mit Türmchen und Erkern verzierten Haus darstellte.
    Sie sehnte sich danach, wieder dort zu sein.
    Sie würde Tara anrufen am nächsten Tag. Ihr alles erzählen. Na ja, fastalles. Den dunklen Fleck in Johns Vergangenheit würde sie weglassen. John hatte einfach schon immer sein eigenes Unternehmen gehabt. Und da Tara acht Jahre zuvor noch nicht in London gelebt und gearbeitet hatte, kannte sie den Fall Burton nicht. Aber der Fall Burton war auch nicht das Problem.
    Das Problem waren Tom und Becky und ihr bisheriges gemeinsames Leben.
    Sie musste mit jemandem sprechen, brauchte einen Rat, was, um Gottes willen, sie tun sollte.
    Sie weinte heftiger bei dem Gedanken, dass vermutlich auch Tara diesmal ratlos sein würde.

MONTAG, 21. DEZEMBER
    1
    »Nur noch wenige Tage bis Weihnachten«, sagte Peter Fielder deprimiert, »und wir sitzen hier, haben ein zweites grauenhaftes Verbrechen und nicht einmal den Anflug einer Spur. Da draußen läuft ein Killer herum, der Frauen auf bestialische Weise tötet, und wir kommen einfach keinen Schritt an ihn heran.«
    Er saß in seinem Büro, wie immer in aller Herrgottsfrühe, umgeben von der besonderen Stille eines noch beinahe leeren, großen Gebäudes. Christy McMarrow war natürlich da. Sie saß ihm gegenüber, hatte Kaffee mitgebracht. Sie waren beide übermüdet, völlig erschöpft. Das Wochenende, soweit man dieses Wort mit den Begriffen Freizeit und Ausschlafen gleichsetzte, war seinem Namen nicht im mindesten gerecht geworden. Nicht, nachdem ein Makler am späten Donnerstagnachmittag die Polizei hinaus in ein völlig abgeschieden gelegenes Waldhaus irgendwo hinter Tunbridge Wells gerufen hatte, weil er im Badezimmer die offensichtlich seit gut einer Woche dort liegende Leiche einer Kundin vorgefunden hatte. Das tief in Mund und Rachen der Toten steckende Geschirrtuch hatte die am Tatort eingetroffenen Beamten dazu gebracht, sofort Detective Inspector Fielder von Scotland Yard zu verständigen. Zusammen mit Christy hatte er sich noch am Abend durch dichtestes Schneetreiben in die Einöde gekämpft. In und um London war der gesamte Verkehr zusammengebrochen, aber irgendwann hatten sie ihr Ziel erreicht. Das Bild, das sie erwartete, war so schrecklich und aufwühlend wie das in Carla Roberts’ Wohnung, hinzu kam aber noch die völlige Abgelegenheit des Hauses im Wald.
    »Hier wird man ja verrückt«, hatte Peter zu Christy gesagt, völlig fassungslos darüber, welch eigentümliche Orte sich manche Menschen aussuchten, um dort zu wohnen.
    In den ersten Stunden war es Luke Palm gewesen, der Makler aus London, der ihnen wichtige Auskünfte über die Ermordete geben konnte. Fielder fand ihn unten im Wohnzimmer, wo er kreidebleich auf dem Sofa saß. Eine mitleidige Beamtin hatte ihm Tee aus ihrer Thermoskanne in einen Becher gefüllt, aber es schien nicht so, als habe er davon auch nur einen Schluck zu sich genommen. Er hielt den randvoll gefüllten Becher sorgfältig ausbalanciert in der Hand, so als warte er, dass ihm irgendwann irgendjemand das Gefäß wieder abnehmen würde. Fielder konnte sehen, dass er wieder und wieder trocken schluckte und sich mit der Zunge die Lippen benetzte.
    Er berichtete, was er von der Toten wusste: dass sie Anne Westley hieß, dass sie Ende sechzig war und seit drei Jahren verwitwet. Dass sie und ihr Mann das Haus als Altersruhesitz gekauft und renoviert hatten, dass ihr Mann jedoch direkt nach der Fertigstellung gestorben war. Dass Anne die Abgeschiedenheit nicht mehr ausgehalten und deshalb ihn, Luke Palm, mit dem Verkauf des Hauses beauftragt hatte. Dass sie zugleich über ihn nach einer Wohnung in London gesucht hatte. Schließlich sei es ihm

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