Beobachter
eingebildet, und sie haben schlechte Manieren. Der einen habe ich den Hund zurückgebracht, der ihr Lebensinhalt zu sein scheint (einen Kerl kriegt sie offenbar nicht ab, was mich bei ihrem Charakter nicht wundert, das tut sich kein Mann an, und ich würde sie auch nicht wollen, selbst wenn sie auf Knien angerutscht käme!!). Und bei der anderen habe ich mich sogar um ihr Kind gekümmert. Ihr einziges Kind! Und was bekomme ich dafür? Ein lauwarmes »Dankeschön«, und das war es dann! Irgendwie kam sie mir fast misstrauisch vor. Als ob ich die Kleine aus irgendwelchen niedrigen Beweggründen heraus mitgenommen hätte!
Ihr Mann war noch schlimmer. Thomas Ward, der absolut unsympathischste Typ aller Zeiten. Kam hier am letzten Donnerstag hereingestürmt, als starte er einen Angriff auf ein Terroristenquartier. Hätte am liebsten wortlos seine Tochter an sich gerissen und wäre wieder verschwunden. Es tat fast weh zu sehen, wie viel Überwindung es ihn kostete, sich bei mir zu bedanken. Gavin fand ihn ja immer ganz nett, was ich wirklich überhaupt nicht verstehe. Der Mann kann vor lauter Arroganz kaum aufrecht laufen. Dabei ist er drauf und dran, seine Ehe in den Sand zu setzen, und ich glaube, er merkt es nicht einmal. Lebt nur für seine Firma und für seinen Sport. Natürlich, jeder kann tun, was er möchte, nur sollte man seine Frau und sein Kind darüber nicht vergessen. Irgendwann wird Gillian ihm weglaufen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und dann wird er ziemlich dumm dreinschauen und sich fragen, was er bloß falsch gemacht hat. Und ich werde mich freuen, wenn er ganz alleine ist und abends in ein leeres, dunkles Haus zurückkehren muss. Das Schlimme ist nur, dass er wahrscheinlich ziemlich schnell eine Neue haben wird. Er sieht gut aus und verdient ordentlich, und das ist den Frauen ja das Wichtigste. Selbst wenn sie dann schlecht behandelt werden. Männer wie ich, die nett wären zu ihrer Frau und die ihr auch Zeit und Zuwendung entgegenbringen würden, die werden übersehen.
Ich weiß genau, dass er dachte, ich sei ein Kinderschänder. Zum Lachen, wenn es sich nicht so demütigend anfühlen würde. Ich würde mich nie an Kindern vergreifen. Ich mag Kinder. Ich hätte so sehnlichst gern selber welche. Und was Becky betrifft, so wollte ich einfach nur helfen. Was hätte ich machen sollen, was wäre Thomas Ward lieber gewesen? Wenn ich sie im Dunkeln einfach hätte stehen lassen und meiner Wege gegangen wäre?
Ich habe Gillian an dem Nachmittag mit dem Auto aufbrechen sehen. Sie war nicht im Büro an jenem Tag. Ich vernachlässige alle meine anderen Objekte, weil ich mich von ihr fast nicht mehr lösen kann. Sie kam aus dem Haus, gegen vier Uhr, und irgendwie sah sie anders aus als sonst. Nicht besonders aufgetakelt – vielleicht ein bisschen stärker geschminkt, aber nicht extrem. Ich glaube eher, ihre Aura war anders. Es ist schwer zu beschreiben. Sie wirkte so anziehend. Anziehender, als ich sie früher empfunden habe.
Ich habe mir Sorgen gemacht, nachdem sie fort war. Ich glaube fast, hätte ich in dem Moment mein Auto bei mir gehabt, ich wäre ihr nachgefahren. Aber es stand in der Garage, und bis ich nach Hause gelaufen wäre und es geholt hätte, wäre sie weg gewesen. Aber in den ganzen nächsten Stunden konnte ich nicht anders, als mich immer wieder zu fragen, wohin sie wohl gefahren ist. Ich war so unruhig, von düsteren Vorahnungen gequält. Etwas bahnt sich an in dieser Familie, das nicht zum Guten führen wird. Thomas Ward ist der Auslöser. Aber oft entwickeln die Dinge dann eine Eigendynamik, und möglicherweise haben sie es in diesem Fall bereits getan.
Ich ging dann meine Runde, es war kalt und es schneite immer heftiger, aber ich brachte es nicht fertig, mich in mein schönes, warmes Zimmer zurückzuziehen. Ich wollte wissen, wann Gillian nach Hause kommt.
Und während ich dort im immer dichteren Schneegestöber stand und das Haus beobachtete, dessen Weihnachtsbeleuchtung sich irgendwann automatisch eingeschaltet hatte, tauchte plötzlich Becky aus der Dunkelheit auf. Es war kurz nach sechs. Ich hatte mittags gesehen, dass sie zu ihrer Freundin hinüberging, und nach der Menge von Mädchen, die dort eintrafen, zu schließen, handelte es sich um eine Geburtstagsfeier. Jetzt war die Party wohl vorbei, aber Gillian nicht zurück. Das passt nicht zu ihr, so ist sie nicht. Allerdings begann ich mir inzwischen auch zu überlegen, dass es am Schnee liegen mochte. Am Ende hing
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