Beraten, Trainieren, Coachen
Hier konnte ich ihnen leicht vermitteln, dass sie die Experten sind. Dadurch habe ich immer eine hohe professionelle Distanz gewahrt – ich war keine Streitpartnerin für sie, sondern lediglich die Moderatorin.
Ergebnisse der Konfliktmoderation
Die Führungskräfte stellten sich ihrer Verantwortung, setzten sich auseinander, ließen sich strukturiert durch die konfliktären Themen leiten und entwickelten eine professionelle, lösungsorientierte Grundhaltung. Sie sind sicherlich durch den Prozess keine Freunde geworden, aber sie waren wieder arbeitsfähig. Sie entwickelten gemeinsame Führungsleitlinien und setzten diese auch nachhaltig um. Man konnte sich sogar auf einen strukturierten, objektiven Prozess zur Nachfolgeplanung einigen, der inzwischen erfolgreich abgeschlossen worden ist.
In den folgenden Monaten ging der Prozess noch weiter, es gab einen weiteren Workshop mit allen Führungskräften des Bereiches, einen Großgruppen-Workshop und diverse Teambuildings. Die letzte Mitarbeiterbefragung ist deutlich besser ausgefallen.
Handlungsempfehlungen für Trainerinnen und Trainer
Es ist sinnvoll, bewusst die ausgleichende und disziplinierende Wirkung, die eine Frau als Trainerin oder Moderatorin in einer Männerrunde haben kann, zu nutzen und diese auch bewusst auszuspielen. Es scheint tatsächlich für eine Frau leichter zu sein, unangenehme, emotionale Themen in einer Männerrunde anzusprechen. Man(n) erwartet dies sogar. Zudem werden einer Frau Klarheit und direkte Aussagen nicht so schnell übel genommen wie einem männlichen Kollegen.
Aber Vorsicht! Die „befriedende“, beruhigende oder ausgleichende Wirkung kann einen Lösungsprozess auch erschweren. Auch hierzu ein Beispiel aus meiner Trainerpraxis.
Beispiel: Der Lösungsprozess kann durch die ausgleichende Wirkung der Trainerin gehemmt werden
Vor Kurzem hatte ich die Aufgabe, ein rein männliches Führungskräfteteam in einem zweitägigen Workshop zu moderieren. Wie schon im vergangenen Beispiel handelte es sich um eine kritische Situation nach einer Fusion. Das Team setzte sich aus Führungskräften beider Ursprungsunternehmen zusammen und arbeitete seit ungefähr sechs Monaten zusammen. Die Führungskräfte standen vor der Herausforderung, Synergieeffekte aus der Fusion in ihrem Bereich herauszuarbeiten und umzusetzen. Es ging also darum zu entscheiden, welche Teilbereiche in welcher Stärke in Zukunft weiter existieren sollen und welche Teilbereiche in Zukunft abgebaut werden müssen. Am ersten Tag des Workshops gingen alle Beteiligten höflich und respektvoll miteinander um, man arbeitete miteinander und für einen Außenstehenden hätte es auch um die Planung des nächsten Betriebsfestes gehen können. Die Herren hatten sich gut im Griff – aber es ging auch nicht recht vorwärts. Insbesondere die Plenumsdiskussionen waren unergiebig. Es waren keine der zu erwartenden Emotionen wie beispielsweise Sorge, Wut, Trauer oder Aggression erkennbar – genau so wenig wie Leidenschaft für oder wider eine bestimmte Vorgehensweise. Es schien fast so, als hätten die Führungskräfte gar keinen persönlichen Bezug zu den zu bearbeitenden Herausforderungen. So ging der Arbeitstag ebenso ereignis- wie ergebnislos zu Ende.
Die Rolle der Trainerin
Hier könnte mein ausgleichender und disziplinierender Einfluss als Trainerin negativ gewirkt haben: Die Gruppe hatte sich überhaupt nicht den Konflikten gestellt, vielleicht aus Höflichkeit mir gegenüber oder aus Sorge, vor der einzigen Frau im Raum das Gesicht und die Fassung zu verlieren. Ich musste also meine Strategie anpassen.
Nach dem gemeinsamen, sehr ruhigen Abendessen zog ich mich kurz zurück, um etwa eine Stunde später wieder zur Gruppe dazuzustoßen. Meine Hypothese war, dass meine Anwesenheit verhinderte, dass sie sich miteinander auseinandersetzten und ihren verständlichen Frust, ihre Wut, ihre Sorgen artikulierten. Und dass sie eigentlich nur für kurze Zeit alleine gelassen werden müssten, um sich auseinanderzusetzen.
Ich fand die Führungskräfte an der Bar, wo sich mir ein beeindruckendes Bild darbot. Die Gruppe hatte sich in drei Lager gespalten, die sich in durchaus stadiontauglicher Lautstärke miteinander auseinandersetzten. Als sie mich entdeckten, herrschte augenblicklich betretenes Schweigen. Was ich denn jetzt von ihnen denken würde. Ich versicherte ihnen mein Verständnis und dass ich fast froh wäre, endlich angemessene Emotionen zu sehen. Wir überlegten gemeinsam, wie wir
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