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Beraubt: Roman

Beraubt: Roman

Titel: Beraubt: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Womersley Chris , Thomas Gunkel
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sie dann zurück.
    Als Sadie später am Nachmittag zurückkehrte, fragte er, was es damit auf sich habe, doch sie gab keine Erklärung. Sie starrte ihn bloß mit ihren dunklen Augen an. »Du hast doch nichts damit angestellt, oder?«
    »Nein.«
    »Fass sie bloß nicht an. Sie sind wichtig.«
    »Aber wozu sind sie da?«
    Sie legte den Apfel weg, den sie gegessen hatte. »Lass sie genau da, wo sie sind. Berühr sie nicht mal.«
    Jetzt, wo sein Blick auf diese Opfergaben eingestellt war, entdeckte er sie überall. Anscheinend fertigte sie sie schon seit Jahren an. Hier und da stieß er im Buschland rings um die Hütte auf kleine Steinhaufen. Aus den Lücken zwischen den Steinen schauten Haarbüschel, abgeschnittene Fingernägel und Fetzen von Fotos hervor. Er fand Knochen, die auf dem Boden zu Mustern ausgelegt waren, und die Haut von Insekten. Einmal sogar einen Kerzenhalter aus Messing, dessen Vertiefung mit Wachs und Stofffetzen vollgestopft war. Ein altes Arzneiglas voller Tierzähne und Kängurupfoten. Auf den Fensterbänken und dem Fußboden der Hütte lagen Muster aus Schnüren und trockenem Gras, Haufen vertrockneter Schneckenhäuser. Eine rote Murmel hing an einem Bindfaden in einem Baum, wo sie im Nachmittagslicht leuchtete wie ein Tropfen Blut.
    Eines Tages entdeckte er ein paar Hundert Meter vom Haus entfernt eine Akazie, die nicht nur mit ihren buschigen gelben Blüten geschmückt war, sondern anscheinend auch mit Dutzenden von Kinderfingern. Ihm fiel wieder ein, was seine Mutter über Mrs. Fox und ihre Beschäftigung mit Zauberei gesagt hatte. Mit einem Gefühl der Beklommenheit trat er näher und war erleichtert zu sehen, dass sich die blassen Finger als eingerollte Bibelseiten erwiesen, die mit Haaren zusammengebunden waren. An den Enden waren die Seiten fest zusammengedrückt.
    Er stand eine Weile da und bewunderte Sadies Werk, an dem sie bestimmt stundenlang gearbeitet hatte. Ringsum schrillten die Zikaden. Er pflückte eins der Röhrchen vom Baum, riss die Naht auf und schüttete den Inhalt auf seine Hand. Es enthielt Asche, Samen und Kiesel, ein leeres silbernes Medaillon. Die Seite stammte aus dem Buch Jeremia. Ich will nicht mein Antlitz gegen euch verstellen. Denn ich bin barmherzig, spricht der Herr . Als er an Sadies Warnungen dachte, hängte er das Röhrchen so sorgfältig wie möglich zurück. Schweiß rann ihm übers Gesicht und trocknete körnig wie Salz auf seinen Lippen.
    Sadie stahl Zivilkleidung für ihn. Ein weißes Hemd, eine dunkle Hose und ein dunkles Jackett. Alles war abgetragen und stellenweise ausgeblichen, aber in passablem Zustand. Die Kleidungsstücke schmiegten sich leicht, kaum spürbar an seinen Körper. Er fragte nicht, wo sie sie herhatte.
    Jeden Tag besuchte er seine Mutter. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich weiter, und zumeist war sie nicht imstande, ein Gespräch zu führen. Er las ihr vor, wie sie es bei ihm und seinen Geschwistern getan hatte, wenn sie krank waren, doch es war unklar, wie viel sie verstand und ob seine Besuche ihr guttaten. Oft saßen sie da, ohne etwas zu sagen, und genau davor fürchtete Quinn sich am meisten. In dieser trostlosen Stille hatte er nicht nur Angst um seine Mutter, sondern war sich auch der Geister besonders bewusst, die sich an die Fenster seiner Erinnerung drückten.
    In der Abenddämmerung saßen Quinn und Sadie draußen, um das letzte Licht einzufangen. Das war die beste Zeit des Tages. Vögel tollten durch die Luft, und der heiße Nachmittag wurde schläfrig und sanft. Sadie setzte sich oft, das Kinn in die Hand gestützt, auf einen Baumstumpf und erzählte Quinn Geschichten: von den Eingeborenen, die sie einmal dabei beobachtet hatte, wie sie den Kadaver eines Kängurus durch den Busch schleiften, wie sie gebrabbelt und sie bedroht hatten; dass Kimberley Porteous jeden Abend mit einem Foto ihres verstorbenen Mannes Reginald sprach, den die Deutschen in Frankreich getötet hatten; dass Billy Davis sich an Sommerabenden manchmal mit Miss Haylock am Fluss traf. Sie kannte alle Privatangelegenheiten der Stadtbewohner, hortete Leben, konnte in die Herzen der Menschen blicken.
    Später, wenn der Mond aufging, zogen sie sich in die Hütte zurück, zündeten Kerzen an und verschlangen alles, was sie zu essen hatten. Quinn schlief noch auf dem Bett, das er sich aus seinem Mantel bereitet hatte, während sich Sadie, wie er inzwischen wusste, mit einer Decke und einem Messer als Trost in eine Mulde legte, die sie unter ein paar

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