Bereue - Psychothriller (German Edition)
Deckel knallte zu.
„Verlassen Sie jetzt meine Firma. Sollten Sie noch persönliche Dinge aus Ihrem Büro holen wollen, wird Herr Fehlberger Sie begleiten. Frau Sattelmeier übergeben Sie Ihre Schlüsselkarte.”
Ben nickte und stakste aus Rikowskis heiligen Hallen, stolperte die Treppe hinunter und betrat das Vorzimmer zu seinem Reich. Frau Ansbach senkte den Blick, als er an ihr vorbei ging. Sein Büro sah aus wie immer. Feine Staubflocken tanzten in dem schmalen Streifen Sonne, der durch die Fenster hereinfiel. Eine Fliege knallte wieder und wieder gegen die Scheibe. Außer ihrem Summen war nichts zu hören. Die Hunde auf den Fotos an den Wänden strotzten vor Vitalität, der Besprechungstisch wartete auf seine nächsten Besucher.
Ben ging hinter seinen Schreibtisch und ließ sich auf den Bürosessel fallen.
Fehlberger blieb im Türrahmen stehen und beobachtete ihn, wie er die Schubladen eine nach der anderen aufzog und zu schob. Diese Arbeit war sein Leben gewesen, der Erfolg sein Lebenselixier.
Er griff nach dem Foto von Lucky. Die braunen Augen des Hundes blitzten vor Unternehmungslust. Er hatte es vor der Hütte aufg enommen. Zu einer Zeit, als alles noch in Ordnung gewesen war. Er stand auf. Hier gab es nichts mehr für ihn.
8
Im Laufen klopfte er sich auf die Brust. Die Kompaktkamera war in der inneren Jackentasche. Im letzten Moment, bevor die Türen schlossen, sprang er in die S-Bahn. Um Atem ringend lehnte er sich gegen die Abteilwand und umklammerte die Haltestange. Ruckend fuhr der Zug an.
Über eine Stunde lang hatte ihn Mutter aufgehalten. Bring mir dies, hol das. Doch um Viertel nach acht hatte sie endlich alle Tabletten geschluckt, gefrühstückt und sich mit der Fernsehzeitung und der Fernbedienung in ihrem Sessel niedergelassen, rechtzeitig zur Frühmesse auf dem Bibelkanal. Vorwurfsvoll hatte sie ihn über die Lesebrille hinweg angesehen.
“Bewerbung”, hatte er gemurmelt und den Zettel von der Werkstatt in die Luft gehalten, bei der er sich vorstellen sollte.
“Der Termin ist doch erst um drei Uhr!”
Mit einem Schulterzucken war er aus der Wohnung geflüchtet.
Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen. An jeder Station rempelten ihn Berufstätige und Arbeitslose beim Ein- und Aussteigen an. Manche entschuldigten sich, andere bemerkten ihn gar nicht. Ihr werdet mich noch kennenlernen, dachte er für sich, die Fäuste in den Hosentaschen geballt.
An der Station St.-Martin-Straße riss er als Erster die Türen auf und sprang auf den Bahnsteig. Ein Blick auf die Uhr offenbarte ihm, dass er sich beeilen musste. Es war drei Minuten nach neun. Im flotten Trab erreichte er acht Minuten später die Vita Canin GmbH . Gegenüber des Haupteinganges setzte er sich auf die Bank einer Bushaltestelle und schlug die Tageszeitung auf, die Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen.
Er musste nicht lange warten. Selbst auf die Entfernung konnte er die Erschütterung sehen, die Ben Biller ausstrahlte.
Hinter der hochgehaltenen Zeitung zog Jakob mit der anderen Hand die Kamera aus der Brusttasche. Er schaltete sie ein und aktivierte den Zoom. Das Display zeigte ihm das Ausmaß der Veränderung seines Gegners.
Der Mann war ein Wrack. Seine Füße setzte er mechanisch einen vor den anderen, sein Blick war stumpf, das Gesicht fahl. Die einst so stolze Haltung erinnerte jetzt an einen gebeugten alten Mann. Die Hand, mit der er die Autotür öffnete, zitterte. Vielleicht war es schon so weit und er würde den Wagen gegen eine Wand fahren. Aber Ben Biller war ein Kämpfer. So leicht würde er nicht aufgeben.
Es war so leicht gewesen, Ben Billers Unterschrift zu fälschen. Die Blankoschecks hatte ihm eine freundliche Putzfrau besorgt, die er von der Gemeinde kannte. Den Inhaber von Vita Canin anonym darauf aufmerksam zu machen war der letzte Schritt gewesen.
Er überprüfte die soeben geschossenen Bilder auf dem Display. Ben Biller war perfekt getroffen, das personifizierte Versagen.
Zufrieden steckte er die Kamera ein und warf die Zeitung in den Mülleimer. Zurück zur S-Bahn.
In vierzig Minuten würde das Münchner Tagesblatt die Bilder per E-Mail erhalten, zusammen mit allen Details zu Ben Billers b eruflichem Exitus. Der Text wartete fertig formuliert auf seinem PC. Morgen würde die ganze Stadt wissen, was für ein Mensch Ben Biller war.
Und zu Hause würde ihn eine weitere Überraschung erwarten. Es gab kein Entkommen.
Wie schrieb Hiob in Kapitel 18: Ins Garn bringen ihn seine
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