Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers
in mein Leben gefunden. Deshalb kann ich in aller Ruhe meinen Weg gehen. Sollte mir allerdings jemand dieses Abweichen von den vorgezeichneten bürgerlichen Berufsschienen als Aussteigermentalität auslegen wollen, dann antworte ich ihm: Ich bin gerne ein Aussteiger, weil ich mich weigere, mich zur Eindimensionalität verdammen zu lassen.
Ich weiÃ, ich bin ein Privilegierter. Nicht weil Grenzgänge lukrativ wären, nein, nur weil ich meine »Verrücktheiten« ausleben kann. Die Mehrzahl der Menschen kann es leider nicht. Wie viele verlieren sich in Alltäglichkeiten und tun nicht das, was sie gerne möchten! Ich wäre so unglücklich wie sie, wenn ich auf meine Form der SelbstäuÃerung verzichten müsste.
Ich fühle mich den Festgenagelten, den Gebundenen gegenüber nicht überlegen. Nur privilegiert bin ich, weil ich das tue, was ich am besten kann. Was wir tun, ist nur mit unserer persönlichen Lebensfreude zu rechtfertigen, nie und nimmer mit Nutzen schlechthin.
Bei einem Treffen mit führenden Bergsteigern auf Juval schockiert mich deren Selbstgefälligkeit. Die glauben wirklich noch, es sei gut für die Menschheit, wenn sie auf die Achttausender klettern! Es ist dieser Auserwähltheitsdünkel, der mich von den meisten Alpinisten fernhält.
Unser Nutzen hat Kosten. Erstens wirtschaftlicher Art. Jedem Grenzgang geht intensives Geldverdienen voraus. Wie soll ich Jahr für Jahr zwei bis drei Expeditionen durchführen können, wenn ich sie vorher nicht finanziert habe? Das selbsttragende Prinzip dabei â der Grenzgang ernährt den Grenzgänger â gehört zu meinem Selbstverständnis. Ich lebe wirtschaftlich von den »Abfallprodukten« meines Tuns. Ich habe völliges Verständnis für all jene, die meine Person als Geldverdiener nicht in Einklang bringen können mit meiner Person als Grenzgänger. Ich aber bestehe nicht aus zwei Hälften. Das scheint nur so. Zusammen ergeben sie meine Persönlichkeit.
Der Geldkreislauf eines Grenzgängers wird erst selbstverständlich, wenn man selbst dieser Grenzgänger ist. Wenn ich erfolgreicher geworden bin als andere in meinem Spielfeld, dann auch deshalb, weil ich besser als andere gelernt habe, meine »Abfallprodukte« (Erzählungen, Vorträge, Erfahrungen, Wissen) zu verkaufen. Als Vortragsredner, Buchautor, Werbeträger bin ich heute fähig, innerhalb von wenigen Monaten so viel Geld zu verdienen, dass ich den Rest des Jahres unterwegs sein kann, ohne an Gelderwerb denken zu müssen. Und das ist wieder Voraussetzung für den Erfolg drauÃen.
Wer am Mount Everest nicht bei der Sache ist, sondern beim Gewinn, kommt nicht weit. Vorausfinanzierung heiÃt deshalb der Schlüssel. Dadurch habe ich den Rücken frei für jene Grenzgänge, die zwar auch scheitern könnten, die mir im Falle von Erfolg aber einen gesteigerten Marktwert garantieren. So kann ich, wieder zurück, weitere Expeditionen auf die Beine stellen.
Zehn Jahre habe ich gebraucht, um mich aus dem hektischen Kreislauf der Expeditionsvorfinanzierung durch Versprechen in die Zukunft und der Auswertung als Schuldentilgung herauszulösen. Mein Rhythmus heute: Idee â Finanzierung im freien Markt â Ausführung â Auswertung.
Der entscheidende Schritt, um vom ersten System ins zweite zu kommen, gelang mir mit der Kleinexpedition. Ich hatte plötzlich den wirtschaftlichen Schlüssel in der Hand, mit wenig Geld viel zu erreichen. Die bessere Strategie ergab auch eine günstigere Kosten-Nutzen-Rechnung. Obwohl ich diese Analyse vorher nicht angestellt hatte, war sie nachher bestechend klar.
Die Vermarktung ist integraler Teil einer Expedition. Wer dies als »Full-time-Grenzgänger« nicht wahrhaben will, belügt sich selbst oder seinen Club, eine Fangemeinde, seinen Mäzen. Auch in der Vermarktung zeigt sich, wer ein Profi ist und wer nicht.
Das heiÃt nicht, dass ich eine Expedition nur durchführe, wenn sie auch wirtschaftlich ein Erfolg zu werden verspricht. Eine Expedition muss nur finanzierbar sein. Sie muss nichts abwerfen. Immer erst nachher, mit meinem Mehr an Erfahrung, Mehr an Ausstrahlung, kann ich Geschichten dazu, Bilder, meine Glaubwürdigkeit auf den Markt tragen.
Mein Finanzgebaren habe ich inzwischen generell meinen privaten Marktgesetzen angepasst: Ich stecke mein Geld nicht in »wirtschaftliche« Unternehmen, ich stecke es in
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