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Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Titel: Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLV Buchverlag GmbH & Co. KG
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Begeisterung. Ich stehe zur Aussage, dass mein Tun Selbstzweck ist. Vielleicht bin ich auch ein Stellvertreter für all jene, die meine Grenzgänge gerne machen würden, aber gehandicapt sind, weil entweder die Zeit, die Mittel oder das Können nicht ausreichen, sie in die Tat umzusetzen. Aber das ist sekundär.
    Weil ich zu meinem Egoismus stehe, bin ich häufig als einer verurteilt worden, der außerhalb jeder Ethik und Moral lebt. Dabei ist Moral nur eine von Menschen erfundene Maßeinheit im Verhalten von Personen untereinander, die oft jeden Anspruch an sich selbst ausklammern. Die Vorstellung, dass ich alles darf, was ich kann und will, wenn ich dabei die Kreise der anderen nicht störe, weiter gehend, wenn ich dabei das Gleichgewicht des Kosmos nicht störe, ist mein Credo.
    Mein Egoismus ist dabei nicht verwerflicher als der des Technikers, der ein Auto baut, der des Künstlers, der ein Bild malt, der des Arztes, der seinen Patienten helfen will. Wie jeder andere bin ich Teil einer großen Gemeinschaft. Auch wenn ich dann und wann aus dieser Gemeinschaft weggehe, um mich allein oder in kleiner Gruppe durch die Wildnis zu schlagen. Meine Grenzgänge haben mir gezeigt, dass wir Menschen ähnlich sind, ähnlich handeln und ähnlich denken. Dass sich viele anders geben, als sie sind, ist kein Gegenbeweis. Sie verstecken sich hinter einer Maske oder einem Moralkodex und betonen ununterbrochen ihre ethischen Werte, ohne sich an sie zu halten. Auch das ist wieder nur menschlich.
    Ich glaube nur, was ich sehe. Beim Grenzgang kann keiner die Maske aufbehalten. Der Erkenntnisprozess, den jede Reise auslöst, betrifft nicht nur mich, er betrifft auch das Verhalten, das Sein der anderen. Und weil im psychophysischen Grenzbereich alle ihre Maske ablegen, erfahren wir viel über uns. Auch alles allzu Menschliche. Und das soll nicht von Nutzen sein?

» Wenn etwas gelungen ist – hinterher-, erscheint es jedem einfach. Jeder ist also der Star.«
    VIII
Star und Mannschaft
    â€¢ Jeder, mit Ausnahme des Alleingängers, ist Teil einer Seilschaft, eines Teams.
    â€¢ Seilschaftssystem nach anarchischem Vorbild ist dem Führungssystem nach altem Muster überlegen.
    â€¢ Falsche Vision: Gruppe steht hinter der Fahne.
    â€¢ Zwei oder mehrere, die in ihrem Fach jeweils die Besten sind, kommen ohne Freundschaft weit.
    â€¢ Seilschaften sind meist zeit – und zielgebunden.
    â€¢ Kameradschaft und Freundschaft sind Zufälle.
    â€¢ Seilschaft hat Fluidität – kommt zusammen, trennt sich wieder.
    â€¢ In meinen Seilschaften ist vor – und nachher jeder frei (Buch, Vorträge, Werbung usw.), zu tun, was er will.
    â€¢ Seilschaft im richtigen Augenblick lösen.
    â€¢ Voraussetzungen für eine starke Seilschaft: Vertrauen, Können, gleiches Ziel, Identifikation mit dem Projekt.
    Â 

    Lager III (1989) in der Lhotse-Südwand mit den Pfeilern der Gipfelwand dahinter.

»Die wiederholte Einsicht, sich getäuscht zu haben, höhlt den stärksten Willen aus.«
    Die Wand der Wände
    April/Mai 1975
    Expedition zur Lhotse-Südwand. Als großes Team von italienischen Spitzenbergsteigern wollen wir unter der Leitung von Riccardo Cassin die »schwierigste Achttausenderwand« klettern: die Südwand des Lhotse. Wir kommen, im linken, flachsten Wandteil, nur bis 7800 Meter Meereshöhe.
    Wir sind zu viele. Offensichtlich leiden die anderen unter demselben Dualismus wie ich: Sie gehören gerne zur Mannschaft; jeder aber will sich gleichzeitig als Star profilieren. Ich komme zur Einsicht, dass kleinere Einheiten mit hoch motivierten Mitsteigern erfolgreicher sind als große Teams.
    März 1989
    Eine Klettergeneration später organisiere ich selbst eine Expedition zur Lhotse-Südwand (inzwischen von Bergsteigern aus Japan, Slowenien, Polen, der Tschechoslowakei versucht). Wieder ist es eine bunte Mannschaft: Franzosen, Polen, ein Spanier, Südtiroler. Die meisten sind daheim Stars. Ich selbst will nicht bis zum Gipfel. Meine Rolle sehe ich diesmal anders als 1975. Als eine Art Katalysator in der Mannschaft möchte ich die stärksten Seilschaften zum Gipfelgang motivieren.
    24.3.1989
    Start der Expedition. Zum Packen der persönlichen Ausrüstung bleiben mir nur wenige Stunden.
    Es ist ein großer Unterschied, ob du selbst bis zum höchsten Punkt willst oder anderen eine Expedition organisierst: Der Stress ist geringer,

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