Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Bruders nicht mehr ertrug. Zum Glück begrüßte Angelo nun Lorenzo und die anderen Mitglieder der Accademia-Familie, so daß Alessandro unbemerkt in den Garten flüchten konnte. In der Rosenlaube fand er einen ungestörten Platz, in dem er sich von dem Anblick des vor Gesundheit und Kraft strotzenden Angelo erholte. Er begriff, daß jetzt die letzten Hoffnungen zerstoben. Werde , der du bist , wiederholte er mehrfach still vor sich hin, werde, der du geboren bist, nimm deine Bestimmung an, ergebe dich dem vorherbestimmten Schicksal. Alles ist entschieden. Ich bin der Weg , die Wahrheit und das Leben . Amen, basta und so soll es sein!
Ein Schatten fiel auf ihn, und als er aufschaute, stand Ugo vor ihm. Alessandro war so mit sich beschäftigt gewesen, daß er ihn nicht gehört hatte, und forderte ihn auf, sich neben ihn zu setzen.
Eine Weile schwiegen sie beide. Dann sagte Ugo: »Du wirkst in dich gekehrt und melancholisch, Alessandro – der Abschied von Florenz? Von der Jugend?«
Alessandro hob kaum den Kopf. »Und du?« Ugo hielt die Hände vor sein Gesicht, als wolle er beten. »Ich muß mich verkaufen«, sagte er mit rauher Stimme.
»Wenn man kein Geld hat, muß man sich immer verkaufen. Oder anbiedern. Warum bleibst du nicht in Florenz? Lorenzo hätte sicher eine Aufgabe für dich. Oder warum gehst du nicht an die Universität von Bologna zurück? Lathe biosas ! Das ist doch dein Wahlspruch.«
Ugo wirkte gequält. »Du weißt genau, warum ich nach Rom gehe«, flüsterte er.
»Noch immer Giulia?«
Er nickte.
»Aber …« Alessandro wollte nicht aussprechen, daß eine Farnese nie einen mittellosen provençalischen Doktor der Philosophie heiraten würde. Darüber mußte sich Ugo im klaren sein. Er rannte einem Trugbild nach. Genauso, wie er selbst einem Trugbild nachgerannt war.
»Natürlich weiß ich, daß ich sie nie heiraten werde«, sagte Ugo mit fester Stimme.
»Aber warum ziehst du dann in ihre Nähe und quälst dich?«
»Warum ziehst du in die Nähe von Silvia Ruffini?
Wirst du dich nicht quälen?«
Darauf wußte Alessandro nichts zu antworten.
Am übernächsten Tag war der Zeitpunkt des Abschieds gekommen. Alessandro versprach Lorenzo und seinen Söhnen, ihren geplanten Besuch in Rom vorzubereiten und dem Namen Medici einen besonders guten Klang zu geben. Den Mitgliedern der Accademia Platonica versprach er, Florenz bald wieder zu besuchen.
Ficino riet ihm, dem Licht gelehrter Wahrheit zu folgen und sich nicht in dem düsteren Labyrinth vatikanischer Kirchen und Verliese zu verlieren. Und er zwinkerte ihm zu. Pico verdrückte einige Tränen und flüsterte, er verdanke ihm sein Leben, und er werde bis an seine letzten Tage für ihn beten. »Wir müssen alle Buße tun, auf Eitelkeiten verzichten, auf Reichtum und die Versuchungen des Fleisches! Begib dich zurück in den Schoß der Mutter Kirche, lieber Freund, und werde einmal Stellvertreter Christi! Vertreibe all die geldgierigen und brünstigen Pharisäer aus dem Tempel des Herrn!«
Die Verabschiedung dauerte lange, weil ihm noch viele gute Ratschläge gegeben wurden. Dann zog Alessandro mit Angelo, Giovanni, Ugo und Accurse zum Dom, betete noch einmal und verließ die Stadt.
Kaum lagen die Befestigungen hinter ihnen, wurde die Gruppe aufgehalten, weil ein junger Mann, ein Maultier im Schlepptau, hinter ihnen hergehetzt kam und laut schrie, sie sollten warten. Es war Michelangelo Buonarroti.
»Ein Wunder«, begrüßte ihn Giovanni Crispo lachend, »ich hatte nicht mehr daran gedacht, daß du fertig wirst.«
»Ich kann das Relief auch wieder mitnehmen«, schnaubte der junge Bildhauer ärgerlich, während Alessandro und die anderen ihn neugierig umringten. »Ich habe nämlich bei ihm eine Marmorarbeit bestellt – ein Geschenk für meine zukünftige Braut«, erklärte Crispo, nicht ohne anzügliches Lächeln, »aber der junge Mann wurde und wurde nicht fertig.«
»Zehn Dukaten«, rief Michelangelo Crispo mit gerunzelter Stirn zu und forderte einige der den Trupp begleitenden Knechte auf, ihm beim Umpacken der schweren Marmorarbeit zu helfen. Crispos Maultier ging unter der Last fast in die Knie.
»Ein stolzer Preis«, sagte Crispo. »Michelangelo, du bist noch sehr jung.«
Der Bildhauer schaute ihn finster an: »Aber ich weiß, was ich wert bin.«
»Dann wollen wir erst einmal sehen, ob auch dein Werk zehn Dukaten wert ist.« Crispo war abgesprungen und versuchte, den in Decken eingeschlagenen Marmorblock freizulegen. Alessandro und die
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