Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
plündern, sein Sohn Franceschetto stürmte herbei, um den Kirchenschatz wegzuschleppen – und in ihm liegen nicht nur vierzehntausend Dukaten. Die Kardinäle mußten Franceschetto an Händen und Füßen zurückzerren und wollten sich selbst über den Schatz hermachen. Nebenan lag der Papst und rief, er sei noch nicht tot, und verfluchte sein Kollegium. Gleichzeitig streute jemand in der Stadt die Nachricht aus, er liege im Sterben, und schon nahmen die Übergriffe und Racheakte zu, die Morde und Vergewaltigungen. Jeder setzt darauf, daß nach der Sedisvakanz eine allgemeine Amnestie erteilt wird. Als dann Papst Innozenz wider Erwarten gesundete, zogen sich die Geier nur langsam aus seinen Gemächern zurück.«
Alessandro hatte genau zugehört und gleichzeitig die erregte Mimik und die engagierte Sprechweise seines Freundes beobachtet. »Ich kenne dich wirklich nicht wieder«, wiederholte er.
Ugo wurde plötzlich todernst: »Gönnst du mir meinen kleinen Spielgewinn nicht? Glaubst du, es ist einfach, hinzunehmen, daß deine Schwester einen anderen Mann heiratet, daß sie mich sowieso nie geheiratet hätte, weil sie eine Farnese ist und ich nur der kleine Provençale aus dem Luberon, ohne Adel, ohne Geld und ohne Pfründe.«
»Ich gönne dir alles«, rief Alessandro, »und würde viel lieber sehen, wenn du meine Schwester heiratest und nicht dieser halbblinde Orsini. Ich wollte dich nicht kränken.«
Ugo wandte sich mit einer verächtlichen Bewegung ab und wollte den Raum verlassen, drehte sich in der Tür aber noch einmal um: »Hast du dir schon wieder ein neues Amt im Vatikan gekauft? Leider wirst du dann endgültig auf die kleine Silvia Ruffini verzichten müssen.« Seine Stimme war nun regelrecht gehässig geworden. »Wie geht es ihr eigentlich?« Bevor Alessandro reagieren konnte, war Ugo schon verschwunden.
Am Abend nach diesem Gespräch saß Alessandro lange an seinem Schreibpult. Ugos letzte Sätze noch im Ohr, überlegte er sich, ob er nicht doch Silvia aufsuchen sollte, um ihr seine Enttäuschung über ihre geplante Heirat mit Giovanni Crispo mitzuteilen. Aber er fühlte, daß sein Stolz ihn daran hinderte. Außerdem würde sie ihm sofort erwidern, daß er für sie wohl kaum seine Laufbahn beim apostolischen Stuhl aufzugeben bereit sei.
»Ich muß meine Gelübde erfüllen«, würde er ihr im bedeutungsschweren Ton entgegenhalten. »Den Auftrag meiner Familie.«
Und sie, würde sie traurig oder spöttisch lächeln?
Er lächelte selbst halb spöttisch, halb traurig. Ob er wieder in den Kirchendienst zurückstrebte, weil er seine Gelübde erfüllen wollte, stand dahin. Aber die Kurie bot ihm noch am ehesten die Möglichkeit, eine gesellschaftliche Stellung mit hohen Einkünften und Einfluß zu erreichen.
Trotz allem sehnte sich Alessandro wieder nach Silvia. Sie hätte ihn geliebt und ihm Kinder geboren. Aber beide mußten sie auf ihr Glück verzichten. Es war am besten, er versuchte, sie zu vergessen.
Es dauerte nicht lange, da hatte ihm Kardinal della Rovere erneut das Amt eines päpstlichen Skriptors verschafft, und im Jahr darauf hatte Alessandro Farnese sich durch unauffälliges Verhalten und auffällige Zuwendungen an die päpstliche Schatulle derart bewährt, daß er zum apostolischen Sekretarius ernannt wurde. Seine Mutter Giovannella war zufrieden, Kardinal della Rovere nickte bestätigend und betonte, Alessandro müsse weiterhin unauffällig sein Auge auf den Borgia richten. Cibòs Ableben sei nur noch eine Frage der Zeit, und dann gehe es darum, ob er, della Rovere, oder der Katalane neuer Pontifex maximus würde. »Auf jeden Fall müssen wir verhindern, daß ein Mann, der mit dem Teufel im Bunde steht, zum Stellvertreter Christi aufsteigt.« Und er bekreuzigte sich flüchtig.
Im Jahr des Herrn 1490 heiratete Giulia Farnese Orso Orsini. Adriana del Mila, ihre Schwiegermutter, ließ Kardinal Borgia die Trauung vollziehen, und das Fest auf der Burg von Bassanello blieb lange Zeit in aller Munde und wurde auch kommentiert, wie man an der Säule des Pasquino erkennen konnte. Über einem Gedicht stand der Titel: Die Schöne und die Biester , und es schilderte in genüßlicher Offenheit, wie die Schöne das häßliche Biest mit einem mächtigen Biest betrog.
Alessandro hatte Kardinal Borgia bei der Trauzeremonie assistieren dürfen. Er fühlte sich unwohl in der geliehenen Priesterkleidung, legte sie auch nach der Messe sofort wieder ab und tanzte während des Festes viel, sogar mit der
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