Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Capodimonte. Crispo wollte unbedingt zu seinem Vater zurückkehren, und Accurse trieb es nach Rom, weil er dort Lorenzo de’ Medicis Empfehlungsschreiben abzugeben und Doktor Burchardus, den Zeremonienmeister des Papstes, aufzusuchen beabsichtigte. Ugo Berthone blieb bei Alessandro und, wenn immer es ging, in Giulias Nähe, die unentwegt von ihrer bevorstehenden Hochzeit sprach.
»Warum quälst du dich so?« fragte ihn Alessandro ein paar Tage später, als sie von einer gemeinsamen Angeltour in der Nähe der Isola Bisentina heimkehrten. Ugo schwieg, gab Alessandro dann aber abends einen Stapel Blätter, auf denen in ausgreifender Schrift düster-sehnsüchtige Sonette standen, in Italienisch wie in Provençalisch.
»Giulia wird einmal so berühmt wie Beatrice und Laura – und sie ist sicher schöner, als beide waren«, sagte Ugo, während Alessandro die Gedichte überflog.
»Da hast du recht«, antwortete er und umarmte seinen Freund.
Bald darauf erschien Kardinal della Rovere, klärte die Brüder Farnese mit grimmig heruntergezogenen Mundwinkeln über die politische Situation im Vatikan und über das Leben in Rom auf. »Man fragt sich, wie schlimm es noch werden kann. Ohne Schutz wagt sich heutzutage niemand mehr auf die Straßen der Heiligen Stadt. Aber dies ist noch das geringste Übel. Der gierige Papstsohn Franceschetto hat sich neuerdings darauf verlegt, den Kardinälen des Heiligen Kollegiums Geld durch das Kartenspiel abzunehmen. Ich selbst konnte mich einer Einladung nicht entziehen. Riario wird noch anwesend sein. Auch Caetani.« Della Rovere unterbrach sich und ließ seinen finsteren Blick über die im Raum Versammelten gleiten. »Dir hat Lorenzo eine vorläufige Aufgabe gegeben«, wandte er sich an Alessandro. »Aber dieser junge Mann« – er zeigte auf Ugo – »sollte hier nicht länger untätig herumhocken. Ich nehme ihn nach Rom mit – am besten euch beide. Was meinst du, Giovannella?«
»Unsere Familie verdankt dir so viel, verehrter Giuliano, ich werde ewig in deiner Schuld stehen.« Ein tiefer Blick ließ erahnen, daß die Dankesschuld eine alte Glut zum Aufglühen brachte.
Am nächsten Tag brachen Alessandro und Ugo mit Kardinal della Rovere nach Rom auf. Angelo und Giulia blieben vorerst in Capodimonte. Die Mutter legte ihrem zweitgeborenen Sohn zum Abschied nur noch einmal nahe, die kirchliche Laufbahn nicht auszuschlagen.
Rom riß Alessandro aus seiner noch platonisch angehauchten Nachdenklichkeit und trieb ihm die Gedanken an Silvia aus, die sich während der letzten Tage verstärkt gemeldet hatten. Als erstes galt es, den verlotterten Farnese-Palast wieder präsentabel zu machen. Es galt auch, Lorenzo de’ Medicis Geschenke zu verteilen, die seinen zweiten Sohn Giovanni ins Gespräch und in die Herzen der ältesten Familien und der wichtigsten Kardinäle bringen sollten. Für della Rovere hatte er Berichte über seine Erfahrungen in Florenz und seine Beobachtungen in Rom zu schreiben. Ugo verlor er für Tage aus den Augen. Kardinal della Rovere hatte seinen Freund vorerst als Skriptor und Sekretär zu sich genommen.
Als die beiden Freunde sich erneut trafen, erfuhr Alessandro von dem Spielabend, der auch schon an der Säule des Pasquino seinen Niederschlag gefunden hatte. Dort waren unglaubliche Summen genannt worden, und Ugo bestätigte, daß tatsächlich Kardinal Riario dem nichtsnutzigen Papstsohn vierzehntausend Golddukaten abgenommen hatte.
»Kannst du dir das vorstellen? Vierzehntausend! Dafür baust du dir einen ganzen Palast.« Ugos Empörung klang eher wie Begeisterung, und in seinen Augen glitzerte Hoffnung. Auffallend war auch, daß Ugo seine bisher schäbige Kleidung gegen elegante römische Roben eingetauscht hatte.
»Und du hast mitgespielt?« fragte Alessandro mit spöttischem Lächeln.
Ugo sprang auf. »Am Anfang ja. Die hohen Herren waren so gütig … Und ich habe gewonnen!«
Nun war die triumphale Begeisterung unüberhörbar.
»Ich kenne dich nicht wieder, Ugo«, sagte Alessandro. »Epikurs Schüler, der zurückgezogene Philosoph, wird zum Spieler.«
»Wenn die Wölfe heulen, kann man nicht hinterm Ofen sitzen und miauen, sagt man in meiner Heimat.«
Er wirkte nicht mehr ganz so triumphal und versuchte, die aufkeimende Unsicherheit zu überspielen, indem er den Eingeweihten spielte. »Im Vatikan sehnt jeder den Tod Cibòs herbei. Als der Papst sich vor kurzem mit hohem Fieber niederlegte, standen die Diener schon bereit, seine Privatgemächer zu
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