Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Gedanke auf: Giulia als Geliebte eines Borgia – dies würde nicht nur Perlenketten für sie bedeuten, sondern womöglich auch eine Förderung seiner Laufbahn. Kardinal della Rovere versuchte, ihn auf dem kurialen Schachbrett gegen den Borgia einzusetzen. Aber was geschah, würde nun der Borgia zum nächsten Papst gewählt und nicht il terribile? Wahrscheinlich durchschaute Borgia längst die Winkelzüge und Taktiken seines Gegners. Und natürlich konnte die eingesetzte Schachfigur Alessandro Farnese geopfert werden, wenn dies einen Vorteil versprach.
Alessandro spürte, wie in ihm die Wut des Benutzten hochstieg. Warum mußte er sich von dem Abkömmling eines Bauerngeschlechts und einem eingewanderten Katalanen zur Spielfigur machen lassen? Nein, er selbst mußte das Gesetz des Handelns in die Hand nehmen. Im Schachspiel der Macht, das die Herren Kardinäle hier gegeneinander führten, war er kein Bauer, noch nicht einmal ein Läufer oder Springer. Er wollte selbst die Figuren setzen. Und dazu brauchte er als ersten Schritt die Dame!
»Wie findest du den Borgia?« fragte er mit lauter Stimme.
»Pst!« Giulia legte die Finger auf die Lippen. »Welche Frau liebt kein Geschmeide?« flüsterte sie dann. »Welche Frau liebt nicht, verwöhnt, umschwärmt zu werden von mächtigen Männern?«
»Dann tu es!« Auch Alessandro sprach jetzt leiser, aber drängend.
»Was soll ich tun?«
»Gib Borgias Werben nach! Hol dir das Geschmeide und die Dukaten! Laß dich verwöhnen! Vergiß deinen Orso! Und du wirst unser Geschlecht groß machen!«
Giulia lachte auf und tippte Alessandro auf die Brust. »Du kleiner Träumer!« Dann wurde sie wieder ernst. »Und wenn der Borgia nach ein paar Monaten meiner überdrüssig ist, weiß ganz Rom, daß ich eine Ehebrecherin bin, Orso verstößt mich, die Orsini beginnen einen Rachefeldzug – und mir bleibt nur noch das Kloster oder der Tod.«
Alessandro schüttelte den Kopf. »Stell dir vor, der Borgia wird bald Papst. Dann wirst du die Geliebte eines Papstes. Alle Welt wird dich kennen und verehren. Die Dichter werden dich besingen. Die Gesandten werden deinen Ruhm in alle Welt tragen. Und die Maler werden dich als Muttergottes verewigen.«
»Das wäre alles viel zu schön, um wahr zu sein.« Giulia wandte sich ab und starrte in die Nacht. »Mich fröstelt«, sagte sie. »Wir sollten wieder nach unten gehen und tanzen.«
Er hielt sie fest. »Und wenn du es für mich tust?«
»Komm, laß uns gehen!«
Alessandro preßte sie an sich. »Wenn Borgia Papst wird, könnte er dir noch mehr als Perlen schenken. Ich könnte Kardinal werden. Vielleicht selbst einmal Papst!«
Giulia befreite sich aus seiner Umarmung. »Alessandro, du bist verrückt.«
Plötzlich hörten sie jemanden die Treppe hochschnaufen.
»Laß uns verrückt sein!« flüsterte Alessandro ihr noch ins Ohr. »Den Verrückten gehört die Welt!« Schon stand Jupiter im Türrahmen. Er schaute sich um, dann strebte er, noch immer ein wenig schnaufend, aber doch leichtfüßig für seine Körperfülle, ihnen entgegen. Er streckte die Arme aus, nahm von jedem die Hand. »Meine liebsten Farnese-Kinder, ihr macht es richtig. Raus aus dem Getümmel, frische Abendluft atmen, frei unter dem Firmament des Schöpfers – da wird die Seele weit, sie möchte sich fortschwingen. Ja, manche Träume könnten wahr werden.«
Jupiter ließ sein R rollen und umarmte Giulia, kaum hatte er beiden die Hand gedrückt. Er nannte sie »mein Beichtkind«, »die schönste Blume auf Gottes Erdenrund«, »die wahre Venus« und »meine kleine Alkmene«. Dann nahm er die Maske ab, und zum Vorschein kamen seine wulstigen Lippen und die mächtige, weit nach unten gebogene Nase. Die Augen blickten liebevoll – gütig wie die eines weisen Herrschers. Noch einmal nahm er Giulias Hand und drückte sie an seine Lippen, nicht ohne ihr tief in die Augen zu blicken.
Sie errötete bis unter die Haarspitzen.
Nun legte er seinen Arm auf Alessandros Schultern. »Du solltest bei uns bleiben, lieber Alessandro, Männer wie dich braucht die Kurie. Ich weiß, wie schwer es dir fallen muß, auf das freie Leben eines Mannes aus altem Kriegergeschlecht zu verzichten, aber nicht nur auf dem Schlachtfeld kann man Siege erringen, auch in unserer Weihrauchwelt gibt es manchen Strauß zu fechten – das weißt du selbst. Und was die Freiheit angeht: Ein echter Mann nimmt sich, was er braucht.«
Borgias Stimme blieb weich und einschmeichelnd, sein Lächeln gewinnend. Alessandro
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