Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Ihr Mann Orso Orsini, der sich als Vulkan furchterregend eingeschwärzt hatte, stopfte sich gerade seinen Mund mit Aalpastete voll und schien sein Auge nicht von den Speisen abwenden zu können. In seiner Nähe sprach Adriana del Mila, ihre Juno-Maske in der Hand, auf Kardinal Borgia ein, der, wie nicht anders zu erwarten, die majestätische Aufmachung eines Jupiters mit großer Selbstverständlichkeit trug. Giulia seufzte tief und ließ sich in Alessandros Arme gleiten. Eine Weile promenierten und hüpften sie, drehten sich zusammen und umeinander, aber dann wählten sie doch einfachere Figuren, um miteinander sprechen zu können.
»Adriana läßt Orso und mich nicht aus den Augen und auch nicht aus den Fängen. Jeden Tag läßt sie sich den Zustand meines Leibes beschreiben, und gelegentlich, wenn ich ein Bad nehme, drängt sie sich herzu …« Giulia, die ihre Venus-Maske abgelegt hatte, seufzte.
»Du siehst nicht gerade glücklich aus«, sagte Alessandro und ließ sie unter seinem rechten Arm eine Drehung vollführen.
Sie ging nicht auf seine Bemerkung ein. Nach einer Weile sagte sie: »Du bist ein guter Tänzer, im Gegensatz zu Orso, der seinem Namen alle Ehre macht.«
Giulia hatte sich sorgfältig geschminkt. Sie schwitzte nicht und zeigte auch sonst keine Zeichen der Anstrengung. Sie trug ihre Schönheit unbewegt und unberührbar; ihre Augen jedoch zeigten, so fand Alessandro, untrügliche Zeichen der Trauer. Aber gerade diese Trauer machte sie noch schöner, noch geheimnisvoller, noch begehrenswerter für jeden Mann, der mehr wollte als die Reize, die jede Kurtisane ihm bieten konnte.
»Wo ist Silvia?« fragte sie unerwartet.
Alessandro zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen? Frag den schönen Giovanni Crispo, ihm ist sie versprochen.«
»Von dieser Ehe wird schon seit langem gesprochen, aber nichts tut sich. Ich träume noch immer davon, daß wir alle zusammen …« Sie unterbrach sich und sprach nun aufgeregt und schneller: »Ich glaube, ich habe sie vorhin erkannt. Sie muß da sein. Mit wem tanzt denn Crispo?«
Alessandro blieb kurz stehen und schaute sich um, ob er im Gedränge der Tänzer den schönen Paris finden könne. Tatsächlich erkannte er ihn am Rande des Feldes mit einer Diana, die ein langes TogaKleid trug, dazu einen Bogen mit Köcher und Pfeilen auf dem Rücken.
»Mit der Göttin der Jagd.«
»Und? Erkennst du sie?«
Er schüttelte den Kopf.
»Laß uns kurz an die frische Luft gehen!« Giulia zog ihren Bruder durch die Tanzenden zu einem Balkon. Da dieser besetzt war, schwebte sie die Treppe hoch bis zu einer nur schwach beleuchteten Dachloggia, durch die ein erfrischend kühler Windhauch wehte. Alessandro folgte ihr. Hier waren sie allein.
Giulia umfaßte eine Säule, die das Dach trug, und drückte ihren Körper gegen die Brüstung. »Du darfst nicht heiraten, ich mußte heiraten, und Silvia soll den Falschen heiraten. Wie können wir da glücklich werden?« Sie strich mit ihrer Hand über ihren Bauch und seufzte: »Ich bin noch nicht einmal schwanger. Der Bär strengt sich zwar mächtig an, aber Kraft alleine macht es nicht … Dabei …«
Sie unterbrach sich, schaute forschend zum Treppenausgang und schwieg.
»Sind wir nicht mehr allein?« fragte Alessandro wie nebenbei.
»Ich glaubte, etwas Helles gesehen zu haben, bin mir aber nicht sicher.«
Alessandro fand nichts Ungewöhnliches am Eingang der Loggia und wandte sich wieder seiner Schwester zu.
»Du weißt, daß der alte Borgia ein Auge auf mich geworfen hat«, sagte sie.
»Ich hörte es munkeln. Er versucht es bei allen schönen jungen Frauen.«
»Ja, aber er muß sich in mich verliebt haben. Dies hat mir wenigstens Adriana zugeflüstert.«
»Ist Adriana nicht die Mutter deines Mannes?«
»Im Herzen ist sie eine Borgia.«
»Und was meinst du mit verliebt? «
»Schau hier, die dreifache Perlenkette, sie erregt allgemein Bewunderung … Sie ist von ihm.«
»Aha! Und Orso?«
»Orso ist halbblind, in vielerlei Beziehung.«
Alessandro mußte kurz auflachen, wurde aber schnell wieder ernst. »Warum hat dich unsere Mutter nur mit einem Krüppel verheiratet!«
Giulia zuckte mit den Achseln. »Familientradition.« Sie atmete tief und heftig und preßte ihren Körper an die Säule. Noch immer blieb ihr Gesicht unbewegt, nur ihre Mundwinkel schienen die Beherrschung zu verlieren. Alessandro beobachtete sie, und wie so häufig fand er sie abgehoben schön. Gleichzeitig drängte sich ihm ein anderer
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