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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Wildes.
    Silvia zog sich mit ihrem Zeisig auf die Dachterrasse zurück und las erneut die Geschichte von Lukrezia. Der Zeisig hüpfte um sie herum und suchte nach Körnchen. Manchmal flatterte er auf, kam aber immer wieder zurück. Silvia schaute ihm nach, ohne ihn wirklich wahrzunehmen: Hätte sie sich ebenfalls den Tod geben müssen, wenn Alessandro sie nicht gerettet hätte? War wirklich die verlorene Ehre schlimmer als der Tod? Nein, entschied sie. Wurde eine Frau zu einer unsittlichen Tat gezwungen, konnte niemand sie dafür zur Verantwortung ziehen. Den Ehrverlust zu ertragen, vom Schmerz ganz abgesehen, war schon Strafe genug. Das Leben brauchte nicht zu enden.
    Silvia holte ihren Blick, der sich in der Ferne verloren hatte, wieder zurück und suchte nach dem Zeisig. Er war verschwunden. Saß auch nicht auf der Brüstung. Flatterte nicht herbei, als sie ihn mit süßen Rufen lockte. Tränen füllten ihre Augen. Sie rief und rief, aber der Vogel hatte sie verlassen.
    Silvia rannte durch das Haus und suchte Rosella. Zum Glück fand sie ihre Dienerin. Rosella lachte, brach dann in Tränen aus, schüttelte sich schließlich wieder vor Lachen. »Ein Zeisig, Bambolina, was ist schon ein Zeisig! Der sucht die Freiheit.«
    Aber am nächsten Tag hockte der Zeisig wieder auf der Brüstung der Dachterrasse und flog auf ihre Schulter, als sie ihm entgegenstürzte. Beinahe hätte sie ihn vor Freude erdrückt.
    Abends betete Silvia lange den Rosenkranz, weil sie sich schuldig fühlte. Sie freute sich unmäßig über die Rückkehr des Zeisigs, dachte aber zu wenig an ihre Mutter und vergaß, sie in ihre Fürbitten einzuschließen. Dies mußte eine Sünde sein. Ihre arme Mutter hatte ein schreckliches Ende gefunden. Daran zu denken schmerzte und verwirrte. Daher fühlte sie eine Erleichterung, als sie beigesetzt war. Um ihre Brüder, ihre Spielgefährten, hatte Silvia mehr geweint. Gemeinsam mit dem Vater waren sie ausgeritten oder hatten sich in den Ruinen herumgetrieben, zwischen Unkraut, Schlangen, verwilderten Hunden und Bettlergesindel, waren dort auf seltsame Marmorstücke gestoßen, auf einzelne Hände oder Füße. Einmal fanden sie ein halbzerstörtes Relief: Zu erkennen war ein Kind, das eine verschleierte Frau einem Mann reichte, und daneben eine auf den Kopf gestellte Fackel. Silvia hatte sich mit ihrem ältesten Bruder um dieses Relief gestritten, bis der Vater es schließlich ihr zugesprochen hatte. Jetzt hing es an der Wand ihres Zimmers, neben dem Kruzifix und einem Bildnis der Muttergottes. Der Bruder war ihr aber nicht böse gewesen. Abends kuschelten sie vor dem Kamin, der Vater erzählte aus seiner Kindheit und Jugend, von seinen weiten Reisen. Nur die Mutter hockte nicht dabei. Sie trat in den Raum, warf einen strengen Blick auf die Familie und verschwand wieder.
    Und dann starben kurz nacheinander die jüngeren Brüder, schließlich wurde der älteste bei der Engelsbrücke aus dem Tiber gezogen. Die Mutter hüllte sich in lange schwarze Kleider. Wenn sie Rosella begegnete, blitzte Haß in ihren Augen auf. Der Vater bestand jedoch darauf, daß Rosella weiterhin zur famiglia gehörte.
    Als Silvia eines Abends mit einem Talglicht durch das Haus zog und in einer Fensternische auf einen dunklen Schatten stieß, erschrak sie so, daß ihre Beine weich wurden. Der Tod , schoß es ihr durch den Kopf. Aber es war nur Rosella, die, in ein langes Tuch eingewickelt, wie ein großes düsteres Tier in die Fensteröffnung kroch, als wolle sie sich jeden Augenblick auf die Straße stürzen. Silvia blieb vor ihr stehen.
    Rosella brach plötzlich in Tränen aus. »Ich bin schwanger«, schluchzte sie auf, »ich bin schwanger!«
    Silvia drückte sich an sie und weinte mit ihr. Rosella ließ sich auf den Boden gleiten. Als ihre Tränen versiegt waren, starrte sie ins Leere und flüsterte unvermittelt: »Ich habe Angst.« Silvia schaute sie fragend an. Kaum noch verständlich, fügte Rosella an: »Ich hasse sie alle!«
    »Wen haßt du?« rief Silvia ungeduldig.
    Aber Rosella schien ihre Frage nicht gehört zu haben. Nach dumpfem Brüten stieß sie plötzlich wütend und gleichzeitig verzweifelt aus: »Wenn der Bastard auf die Welt kommt, bringe ich ihn um und gehe in den Tiber!«
    Silvia rief entsetzt und gleichzeitig bettelnd: »Du mußt immer bei mir bleiben!«
    Rosella lachte verächtlich und befreite sich aus ihrer Umklammerung.
    Dann geschah etwas, was Silvia aus ihrem dunklen Trott riß. Ein dunkler Vorhang schien zur

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