Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Brust gejagt. Jeden Stier hätte er mit einem solchen Stoß zur Hölle geschickt. Noch jetzt sah er die brechenden Augen des einen Mannes, den er mit dem Speer erledigt hatte, hörte er den Aufschrei des anderen, dem sein Pfeil in den Rücken gedrungen war. Arme und Beine zuckten, das Gesicht im Dreck, eine Hand umklammerte einen morschen Zweig, unter dem Leib bahnte sich ein blutiges Rinnsal seinen Weg.
Alessandro stellte sich an die Maueröffnung, die ein wenig frische Luft hereinließ. Ihm war schlecht. Die stickige Luft und die Erinnerung an die Toten … Er hatte zwei Männer im Kampf getötet! Aus ihm war endgültig ein Mann geworden. Sein Bruder Angelo hatte noch niemanden im Kampf getötet, ja, er hatte noch nicht einmal in einer Schlacht gekämpft. Selbst bei der Jagd war er ungeschickt. Vor Keilern hatte er Angst, vor Bären sowieso. Dabei war Bärenjagd der Höhepunkt allen Jagdglücks. Alessandro liebte wie fast alle Männer, die er kannte, die Jagd: Dieses Suchen, Verfolgen, Stellen und Töten erregte ihn. Aber das Blutvergießen stieß ihn auch ab, insbesondere wenn ein Tier keine Chancen hatte zu entkommen oder sich wenigstens tapfer zu wehren, weil eine ganze Hundemeute es zerfleischen wollte und eine Jägermeute sich mit seinen Spießen auf es stürzte. Bei der Bärenjagd allerdings mußte man tagelang in die Berge reiten. Lautlos tappten die Bären davon und versteckten sich im unwegsamen Gelände. Aber wenn man sie stellte … jeder Prankenschlag streckte einen Jagdhund nieder, die Pfeile brachen sie ab, und wenn sie sich auf die Jäger stürzten, dann galt es gemeinsam und schnell zu handeln. Sein bester Jagdhüter war das letzte Mal tödlich verletzt worden, und das braune Vieh war entkommen. Er, Alessandro Farnese, hatte einen Moment zu lange gezögert. Dieser Kampf hatte ihm lange Zeit den Spaß an der Bärenjagd genommen. Der Blick des Jagdhüters, bevor er sein Leben aushauchte … Immerhin ließ Alessandro ihm mehrere Messen lesen und versorgte die Witwe mit Geld, besorgte ihr sogar einen Mann und bezahlte die Mitgift.
Seine Mutter hatte ihn ausgelacht, ihn sogar getadelt. So viele Dukaten wegen eines lächerlichen Jagdhüters! »Wenn du für jeden toten Diener aus deiner famiglia Goldmünzen rollen läßt, wirst du nie mehr Geld haben für die wirklich wichtigen Dinge im Leben, zum Beispiel für ein teures Amt. Du sollst einmal Kardinal werden, kein Almosengeber. Für die guten Taten haben wir die Heiligen.«
Vielleicht werde er einmal ein Heiliger, hatte er mit ironischem Unterton geantwortet.
Seine Mutter lachte schrill. »Du Tunichtgut ein Heiliger? Eher geht eine ganze Kamelherde durch ein Nadelöhr!«
»Als daß ein Farnese ins Reich Gottes komme?« Manchmal liebte er, mit seiner Mutter zu streiten.
Wenn er sie im Wortgefecht besiegte, dann sah er in ihren Augen Stolz aufglimmen.
»Soll ich nicht Kardinal werden?« fuhr er mit erhobenem Finger fort. »Aber du traust mir nur zu, Kameltreiber zu werden.«
»Für einen Kameltreiber bist du zu ungeduldig.
Aber Kardinal könntest du werden, denn Kardinäle kommen nie ins Himmelreich. Wenn sie geschickt sind, kommen sie ins Reich des Geldes. Das ist schon Segen genug.« Die Mutter lachte wieder voller Genugtuung.
»Das sind gotteslästerliche Redensarten.« Verächtlich zog sie die Augenbraue hoch, aber dann nahm sie ihn in den Arm und küßte ihn auf die Stirn. »Ich segne dich, mein Sohn, du bist ein Caetani und ein Farnese. Auch wenn du nur mein Zweitgeborener bist, könntest du es weit bringen. Sehr weit.«
Die frische Luft, die aus dem Loch in der Wand in seine Zelle strömte, tat ihm gut. Er fühlte wieder die alte Kraft in sich aufsteigen. Noch immer konnte er nicht fassen, was mit ihm geschah. Er reckte sich, spannte seine Muskeln und machte einen Handstand. Vorsichtig seinen Körper ausbalancierend, bewegte er sich zur Zellentür. Er hörte die Wärter würfeln.
»He!« rief er. »Öffnet die Tür und laßt mich mitwürfeln!«
Das Fensterchen wurde geöffnet. »Schaut mal, was der junge Kirchenmann für Kunststücke beherrscht!«
Alessandro bewegte sich vorsichtig zurück, noch immer auf den Händen.
Die Tür wurde geöffnet. »Bravo, Gaukler!«
Er sprang wieder auf die Füße und kramte seinen letzten Dukaten aus dem Geldsäckchen. »Das ist Gold und glänzt verführerisch.« Er hielt ihn in die Höhe und drehte ihn hin und her.
Der Kastellan kam herangeschlurft, eine Flasche Wein in der Hand. »Was ist mit Euch?
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