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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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seinen Rand schleppten zwei Männer einen wuchtigen Thronsessel. Silvia schlüpfte wieder hinter dem Vorhang hervor und mischte sich unter die Menschen.
    Was sie nun sah, ließ sie erschauern. Ein schwergewichtiger Mann in einem langen Gewand, dessen Gesicht fast unter einem wallenden Bart verschwand, nahm auf dem Thronsessel Platz und gab einen Wink, das offensichtlich geplante Schauspiel zu beginnen. Dumpfe Trommelschläge hallten durch den Raum. Die Zuschauermenge teilte sich, und ein bis auf einen Lendenschurz nackter muskulöser Mann trug auf seinem Rücken ein Holzkreuz. Auf seinem Kopf hatte man einen Dornenkranz befestigt und rote Flüssigkeit über Kopf, Gesicht und Schultern gegossen.
    Gemurmel in der Menge, manche lachten kurz auf, andere verzogen ihre Mienen oder verbargen ihr Gesicht wieder hinter ihrer Maske. Da und dort schien unterdrückte Empörung aufzuflammen. »Das ist Cesare Borgia und sein Vater«, hörte Silvia ihren Nachbarn flüstern. Und eine andere Stimme ergänzte: »Was für eine unglaubliche Blasphemie!«
    Aber das Schauspiel lief ab. Jesus von Nazareth trug sein Kreuz, römische Soldaten in Blechrüstungen schlugen ihn unter Gejohle an dieses Kreuz, der Gekreuzigte fluchte wie ein Kutscher, brüllte wie ein Stier, und Gottvater auf seinem Thron schien sich herrlich zu vergnügen. Das Kreuz wurde hochgestemmt und in dem Loch verankert. Eine sehr junge Maria schlich gebückt heran, jammernd, flehend die Arme zu Gottvater gereckt. Der Bärtige sprach: »Er muß sterben, damit wir alle leben können!« Er lachte anschließend so laut, daß auch das Publikum, das bisher in einer unsicheren Anspannung verharrt hatte, zu kichern begann. Nun prustete der Gekreuzigte los, und plötzlich erbebte der Saal vor Gelächter.
    »Borgias Tochter Lucrezia spielt die Maria, ein Kind!« hörte Silvia von ihrem Nachbarn.
    »Laß uns gehen«, sagte die andere Stimme. »Ich kann diese Gotteslästerung nicht ertragen. Die Borgia werden wirklich noch einmal Roms Untergang.
    Stell dir vor, das Kollegium wählt den fetten Lüstling auch noch zum Papst.«
    »Das ist zur Zeit mehr als wahrscheinlich.« Silvia hatte eine Weile nicht mehr das Schauspiel verfolgen können, weil sich die Zuschauer nach vorne drängten, aber jetzt waren einige Fackeln gelöscht worden, und sie sah einen Soldaten einen Schwamm hochhalten. »Igitt«, rief der Gekreuzigte, und die Menge fiel wieder in brüllendes Gelächter. Schließlich schrie er: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Für einen Augenblick erstarrten die Zuschauer. Cesare glaubte wohl, sein Ruf sei nicht verstanden worden, und brüllte ihn noch einmal in den Raum. Diesmal klang er noch beklemmender, und noch immer löste sich die Erstarrung nicht. Ein drittes Mal schrie er mit heiserer Stimme: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« In die angespannte Stimme hinein antwortete Kardinal Borgia mit lächelnder Lässigkeit: »Das habe ich doch gar nicht!«
    Die Anspannung löste sich erneut in einem explodierenden Gelächter. Der Gekreuzigte rief mehrfach »Ich sterbe, ich sterbe«. Am Rand zerrissen Helfer ein Leinentuch, Pauken wurden geschlagen und Holzklötze umgestoßen, und schließlich ließen die Soldaten das Kreuz wieder auf den Boden und banden den Gekreuzigten los. Cesare stand auf, rieb sich seine Gelenke und stemmte das Kreuz hoch. Die Zuschauer applaudierten wild, und Cesare posierte wie ein siegreicher Gladiator. Schließlich warf er das Kreuz auf den Haufen der Holzklötze und sank seiner Schwester Lucrezia auf den Schoß. Sie schloß seine Augen, streichelte ihn, und bis sich die Zuschauer beruhigt hatten, blieb diese Pietà bewegungslos auf dem Boden hocken.
    Plötzlich sprang Kardinal Borgia auf und rief: »Wo ist denn Maria Magdalena? Sie darf bei unserem Spiel nicht fehlen.« Behende zog er eine junge Frau auf das Podium. Silvia erkannte sofort, daß er Giulia Farnese neben seinen Kindern niederknien ließ. Dann segnete er alle drei und flüsterte Giulia zwei Worte zu, die, nach seinen Lippenbewegungen zu schließen, nur heißen konnten: »Heute abend!« Mit großer Geste und lächelnd segnete er schließlich die erneut applaudierenden Zuschauer, um anzuzeigen, daß das Schauspiel beendet sei. Tanzweisen wurden angestimmt, und die ersten Paare fanden zusammen, während die Utensilien der Vorführung weggeschafft wurden.
    Silvia hatte sich nicht von der Stelle bewegt und folgte mit ihren Augen jeder Bewegung Giulias, die

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