Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
fand den Kardinal, vor dem ihn della Rovere immer wieder eindringlich warnte, schönrednerisch, wenn nicht gar falsch, und doch gefiel ihm, was er sagte. Die Spanier übertrieben gern, das wußte er, sie trugen ihr Herz auf der Hand, sie konnten liebevoll sein und kurz darauf grausam, sie verstellten sich und liebten das Ränkespiel, und dennoch: Dieser von aller Welt als skrupellos verschriene Kardinal und Vizekanzler der Kurie, der dem Teufel näher stehen sollte als dem dreieinigen Gott, war einfach gewinnend.
»Habe ich recht, mein Kind?« fuhr Borgia fort, legte seinen Arm um Giulias Hüfte und drückte sie an sich.
Giulia deutete ein Nicken an; erneut griff er ihre Hand und führte sie zu seinem Mund.
Kurz darauf schob sich Alessandro wieder in den Tanzsaal, griff sich die nächste Nymphe und schwenkte sie ein paarmal durch den Raum. Kaum hielt er lachend an, segelte Adriana del Mila, inzwischen ohne Maske, heran und schob ihn zu Orso, der verloren an dem abgegessenen Bufett stand und sich Wein einschenken ließ. Seine dunkelbärtige Vulkanmaske hatte er ebenfalls abgenommen, weil er schwitzte, wie er Alessandro ohne Umschweife mitteilte. Sein zerstörtes Auge verbarg er unter einer schwarzen Kappe; sein Gesicht wirkte schief.
Alessandro hatte verstanden, was Adriana del Mila von ihm erwartete, und plauderte über die Falkenjagd. Orso wollte aber lieber über seine Ehefrau Giulia sprechen, die »schön wie die Morgenröte« sei. Dann trank er einen Branntwein, stieß auf und ergänzte, nicht ohne mit seiner Zunge mehrfach zu stolpern: »Im Bett muß man sie erst einmal zum Rennen bringen, aber wenn sie in Fahrt kommt, galoppiert sie wie eine rassige Araberstute, das kannst du mir glauben.«
Als Alessandro merkte, daß sich ihm jemand von hinten näherte, wollte er sich umdrehen. Aber Orso umarmte ihn und preßte ihn an sich. »Wir sind Brüder und müssen zusammenhalten«, rief er ihm ins Ohr, und nur mit Mühe konnte sich Alessandro von seinem Klammergriff befreien.
Es war Diana, die sich ihnen genähert hatte, jetzt aber schon wieder in der Menge zu verschwinden drohte. Alessandro klopfte Orso freundschaftlich auf die Schulter, rief ihm, schon davoneilend, »Warte auf mich, ich bin gleich wieder zurück!« zu und eilte der Göttin der Jagd nach.
35. K APITEL
Aus einem Augenwinkel konnte Silvia sehen, daß sich Alessandro von Giulias Ehemann Orso Orsini löste, um ihr nachzueilen. Sie zog den Bogen fester über ihre Schulter und schlängelte sich zwischen den Menschen hindurch. Als sie eine Stimme »Silvia! Silvia! Warte auf mich!« rufen hörte, drängte sie eine Gruppe von Huren beiseite und schob sich schließlich hinter einen Vorhang. Ihr Herz schlug bis hoch in den Hals. Es pochte so laut, daß sie glaubte, trotz des Lärms könnten die Vorbeitanzenden es hören. Schweiß stand ihr auf der Stirn, und sie versuchte, langsamer zu atmen, um sich wieder zu beruhigen.
Nein, sie wollte jetzt nicht mit ihm sprechen. Während sie ihn in seiner Apollo-Verkleidung sofort erkannt hatte, hatte er zwar mehrfach seine Augen auf ihr ruhen lassen, doch war es ihm offensichtlich nicht eingefallen, daß sie sich als Göttin der Jagd hierher gewagt haben könnte – aber wie sollte es ihm auch einfallen, nachdem er es noch nicht einmal fertiggebracht hatte, sie nach seiner Rückkehr aus Florenz aufzusuchen. Dabei hatte sie sich Jahre nach ihm verzehrt! Und er hatte sie einfach vergessen! Keinen einzigen Brief hatte sie von ihm mehr erhalten – und sie selbst hatte ihm nach Sandros Tod auch nicht mehr geschrieben. Nun sah sie ihn nach Jahren zum ersten Mal wieder, hinter einer Maske verborgen, und mußte etwas erleben, was sie nie für möglich gehalten hätte. Sie hatte nicht jedes Wort verstanden, was Alessandro zu Giulia auf der Loggia gesprochen hatte, und doch wurde ihr klar, zu was Alessandro seine Schwester drängte. War nicht der heilige Stand der Ehe ein Sakrament? Band die Ehe nicht zwei Menschen aneinander in guten wie in bösen Zeiten? Und war nicht insbesondere jede Frau, die die Ehe brach, verdammt und geächtet, vor Gott und den Menschen?
Silvia lugte durch den Spalt des Vorhangs und entdeckte Alessandro in ihrer Umgebung nicht mehr. Dafür entstand eine Bewegung unter den Anwesenden, die Musik verstummte, die Menschen zogen sich zu den Seiten des großen Saals zurück und ließen in der Mitte einen Platz frei, auf den eine Holzplatte gestellt wurde mit einem quadratischen Loch in der Mitte. An
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