Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
umgehend ein falsches Lächeln auf und begann darüber zu reden, wie sehr man gelegentlich frische Luft benötige, um innerlich frei zu werden … Silvia starrte sie feindselig an, und Adriana del Mila preßte ihre Lippen zu einem Strich zusammen. Orso unterdrückte ein weiteres Rülpsen.
Mit einem dahingeworfenen »Ihr kennt euch, nehme ich an« verschwand seine Mutter. Eine Weile sprach niemand. Orso versuchte, Fassung zu gewinnen und seine nicht mehr ganz sicheren Bewegungen unter Kontrolle zu halten.
»Ein schönes Fest«, sagte er schließlich, kaum noch lallend, aber sehr langsam, und als Silvia nicht antwortete, fügte er an: »Trotzdem hat mir Borgias Vorführung nicht gefallen. Es war eine Blasphemie, ja, eine Blasphemie. Und die war nicht witzig.« »Da habt Ihr recht«, antwortete Silvia.
Beide schwiegen und schauten auf den Boden. »Ihr seid Giulias Freundin, nicht wahr?« begann Orso nach einer Weile erneut das Gespräch.
»Ihre beste Freundin«, verstärkte Silvia mit be deutungsschwangerem Ton seine Aussage.
»Und ich bin ihr Mann«, antwortete Orso, jetzt wieder verstärkt lallend.
»Ach ja!«
Schweigen.
Silvia sah ihn an, den Einäugigen, und obwohl er dumm und bäurisch wirkte, obwohl er betrunken und vollgefressen war, tat er ihr leid. Seine Mutter hatte ihn aus krankhaftem Ehrgeiz an Roms schönste Frau gefesselt. Und sie an ihn. Das Paar paßte zusammen wie Vulkan und Venus. Natürlich würde sie ihn betrügen. Und ein homerisches Gelächter würde in Roms Palästen erschallen.
Aber Silvia fand diese Vorstellung nicht zum Lachen. Sie fand sie entwürdigend. Schamlos. Und im tiefsten Sinne sündig. Wenn Giulia wenigstens einen jungen hübschen Mann gewählt hätte! Sie ließ sich jedoch von einem alten, geilen Kardinal ins Bett ziehen, und ihr Bruder schob die Zögernde noch. »Wißt Ihr, Orso, daß Eure Frau Giulia gerade dabei ist, Ehebruch mit Kardinal Borgia zu begehen?« Silvia hörte sich selbst kalt und ruhig diesen ungeheuerlichen Satz sagen. Ja, sie tat recht daran, Orso zu informieren. Vielleicht war die Ehre ihrer Freundin doch noch zu retten. Und der tödliche Haß dieses Bären brauchte sich nicht auszutoben und neues Unheil heraufzubeschwören.
»Heute nacht soll er stattfinden. Ihr seid Giulias Mann, Ihr könnt diese Sünde verhindern. Ihr müßt verhindern, daß Ehrlosigkeit und Unglück über Euer Haus kommen.«
Ihre Worte schienen echolos in einem Abgrund zu verschwinden. Orso starrte auf den Boden, schob seinen Fuß scharrend hin und her, strich sich die Haare aus der Stirn. Dann hob er seinen Kopf und richtete den Blick auf sie. Sein Auge wirkte nun nicht mehr glasig, sondern klar – und voll wütender Angst.
»Ihr seid eine schamlose Verleumderin«, sagte er langsam, aber völlig ernüchtert.
Silvia zuckte zurück. Sie suchte Orsos Blick, aber er hatte sich abgewandt. Der Mann nahm ihre Warnung nicht an, er wollte seine Ehre nicht verteidigen, die Reinheit seiner Frau nicht retten, das Unglück nicht verhindern. Er war ein elender Feigling.
Und sie, sie hätte schweigen müssen. Was trieb sie, diesem adligen Trunkenbold die Wahrheit zu offenbaren? Warum hatte sie sich auf seine Seite geschlagen? Dieser halbblinde Bär ging sie nichts, rein gar nichts an! Und doch ertrug sie nicht, wie schamlos und berechnend eine tödliche Sünde angebahnt wurde.
»Warum könnt Ihr der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen?« hörte sie sich kühl antworten.
Orso atmete tief durch, wollte aufbrausen, unterdrückte aber jeden Ausbruch. Seine Hand mit den kräftigen Fingern lag zitternd auf der Brüstung. »Wenn Ihr verhindern wollt, daß der Kardinal Euch zum Hahnrei macht, müßt Ihr sofort eingreifen. Sonst ist es zu spät.« Und nicht ohne Hohn in der Stimme fügte sie an: »Sonst könnt Ihr ihn vielleicht noch erpressen.«
Beinahe hätte sie ihre Hand auf seine gelegt, um ihn zu beruhigen, um ihn von seinem Zittern zu befreien, aber sie beherrschte sich, weil er diese Geste sicher mißverstanden hätte.
»Wer seid Ihr, daß Ihr es wagt, im Haus meiner Mutter …« Orso brach mitten im Satz ab, und seine Hand zitterte noch stärker.
Silvia schwieg nun, und auch er brachte kein Wort mehr heraus. Beide standen sie an der Brüstung, keiner bewegte sich, auch dann nicht, als Adriana del Mila nach ihrem »Bärchen« rief. »Deine liebe Giulia hat sich schon zurückgezogen, du mußt heute bei mir deinen Rausch ausschlafen, betrunkene Ehemänner sind jungen Frauen nicht
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