Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
zuzumuten.«
Als Adriana del Mila vor ihnen stand, schien sie sofort zu begreifen, welches Gespräch hier stattgefunden hatte. Ihr Mund wurde wieder schmal. Sie baute sich vor Silvia auf. Silvia glaubte, jeden Augenblick würde sie ihr ins Gesicht spucken.
»Wer sich in anderer Leute Angelegenheiten einmischt, kommt darin um«, preßte Adriana hervor.
Mit einer entschiedenen Bewegung wandte sie sich Orso zu und führte ihn zur Treppe. Auf dem Treppenabsatz drehte er sich um und rief, von seiner Mutter gehalten, Silvia schleppend zu: »Eine bösartige Verleumderin seid Ihr. Ihr solltet Euch schämen.«
Es dauerte eine Weile, bis Silvia in der Lage war, sich aus dem Schutz der dunklen Loggia zu lösen und die Treppe hinabzusteigen. Die meisten Gäste waren schon gegangen. Zum Glück traf sie weder Adriana del Mila noch Orso. Auch die Borgia waren verschwunden. Nur Alessandro stand noch mit einigen seiner Freunde zusammen. Da sein Blick direkt auf sie fiel und sie keine Maske mehr trug, konnte er einer Begrüßung nicht mehr ausweichen. Silvia ging ihm aber nicht entgegen, sondern strebte dem Ausgang zu. Er rannte ihr nach und küßte ihre Hand. Sie nahm ihn nur noch wie durch einen Schleier wahr. In seine schön gedrechselten Begrüßungs- und Wiedersehensworte hinein erklärte sie: »Kannst du mich nach Hause bringen, jetzt sofort?«
Er verstummte.
Sie schaute ihm in die Augen. »Bitte!«
»Ich habe aber keine Kutsche«, brachte er unsicher hervor.
»Ich kann laufen oder reiten. Außerdem habe ich zwei bewaffnete Männer dabei.«
Sie wanderten im Licht zweier Fackeln durch die nächtlichen Straßen. Alessandro führte sein Pferd am Zügel. Außer ein paar nichtssagenden Bemerkungen sprach er nicht. Auch Silvia brachte kein Wort über die Lippen, obwohl in ihrem Innern ein Sturm tobte.
Es gab so viel zu sagen, hinauszuschleudern, ihm einzuhämmern, ihm, der sie vergessen und übersehen hatte; der sie längst nicht mehr liebte. Aber sie war auch stumm geworden, weil ihr das, was sie Orso verraten hatte, den Hals zuschnürte. Längst bereute sie ihre Offenheit, und sie verstand sich selbst nicht mehr.
Vor ihrem Haus verabschiedete sich Alessandro, indem er stumm ihre Hand nahm und sie an seine Brust drückte. Sie schluchzte auf, stieß »Ach, Alessandro« hervor, riß sich los und ließ die Portaltür hin ter sich zufallen.
O Gott, was ist geschehen, dachte sie, als sie zitternd auf ihrem Bett lag, was habe ich getan? Sie starrte auf den Baldachin, der sich wie eine düstere Wolke herabzusenken schien. »Ich habe etwas furchtbar Falsches getan«, flüsterte sie.
36. K APITEL
Alessandro zweifelte nicht daran, richtig gehandelt zu haben. Er war im richtigen Moment nach Rom zurückgekehrt, hatte die florentinische Gemeinde durch den Einsatz für Giovanni de’ Medici hinter sich gebracht und wurde von Kardinal della Rovere unterstützt. Kardinal Borgia, der Erzgegner des terribile , schwebte im siebten Himmel. Dieser Himmel trug den Namen La bella Giulia aus dem Geschlecht der Farnese. Die Folge war, daß Alessandro noch zu Lebzeiten von Papst Innozenz VIII. Protonotar wurde.
Der kränkliche Cibò ging dann endlich den Weg aller Sterblichen, und im August des Jahres 1492 wählte das Konklave den Katalanen zum neuen Pontifex maximus. Er hatte mehr Dukaten aufbringen und mehr Benefizien versprechen können als sein Gegenspieler aus dem Hause della Rovere. Rodrigo Borgia nannte sich als Papst Alexander VI.
Kardinal della Rovere schäumte und stieß wilde Drohungen aus. Er werde die Franzosen ins Land holen, den geilen Lüstling vom Stuhl Petri jagen, mit eisernem Besen die Weiber aus dem Vatikan jagen, die schamlose Familienwirtschaft bekämpfen.
Papst Alexander VI. Borgia dagegen zeigte sich bei bester Laune. Noch in der Nacht des Maskenfestes bei Adriana del Mila habe er seine kleine Alkmene besucht, berichtete er in trauter Runde, und sie aufnahmebereit gefunden. Neun Monate später sei zwar kein Herkules zur Welt gekommen, sondern nur eine süße Laura, aber was noch nicht sei, könne noch werden. Giulia widersprach ihm nicht und lächelte. Sie war schöner denn je und trug Kleider und Diademe, um die sie jede Römerin beneidete.
Natürlich beanspruchte auch Orso Orsini, der Vater der kleinen Laura zu sein. Giulia schwieg dazu, und Orsos Mutter Adriana lächelte fein. Nach der Geburt seiner Tochter hatte er auf eine Pilgerfahrt ins Heilige Land ziehen wollen. Aber noch bevor sein Schiff den Hafen von
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