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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Geräusch. Ihr Vater beugte sich über Rosellas Rücken und stieß immer wieder sein Becken vor. Aber nun beugte er sich blutüberströmt über Silvia selbst. Er tauchte sie ins Dunkel und küßte sie. Dann wieder das Licht von Kerzen. Sie schlang die Arme um seinen Hals. Oder war es ihr Bruder? Ein lichtes Gefühl wie Kindheit, die Tage in Frascati, er tauchte dann auf, Alessandro, er sollte sie entführen, mit ihr davonreiten, hinaus aus dem Gefängnis.
    Ein heftiger Lärm an den Portalen des Gefängnisses. Sie wußte nicht, ob sie noch träumte oder ob sie schon wieder zurückgekehrt war in die Wirklichkeit. Tatsächlich hörte sie Schläge und eine Stimme. Sie wurde gerufen. Der Hausverwalter rannte zum Portal. Sie schlüpfte aus dem Bett, warf sich einen Umhang über und trat auf den Balkon. Unter ihr stand ein blutüberströmter Mann.
58. K APITEL
    Der Tod konnte süßer nicht sein. Er war umgeben von Engeln in purpurroten Kleidern, aufgefahren gen Himmel, und hinter ihm stand der Erzengel Michael mit seinem flammenden beidhändigen Schwert. Aber er selbst schwebte, stand oder saß nicht, sondern lag auf einen Schoß gebettet, und über ihn beugte sich das liebste Engelsgesicht, von langen Haaren eingerahmt, und lächelte ihn an. Er lächelte zurück und hörte eine Stimme: Du bist mein Sohn , an dem ich Wohlgefallen habe . Es war die Stimme seines Vaters, und ein süßes Kindheitsglück erfüllte ihn. Sein Vater liebte ihn, und er liebte den Vater. Er liebte das Lächeln des Engels, der seine Hand auf seine Stirn legte, seinen Mund herabbeugte und seine Lippen küßte. Ja, er konnte aufstehen, vom Tod hinabsteigen, sich niederlassen auf den goldenen Thron, und über ihm schwebten weiße Tauben. Ich bin der Weg , die Wahrheit und das Leben . Und trotzdem küßte sie ihn. Ihn umgaben Engelchen, Sandro, Tiberio, Costanza, und neben ihnen reihten sich die Purpurträger, alle seine Freunde und Neider, die alten Herren und die ehrgeizigen Neulinge. Habemus papam ! Ja, er saß auf dem Stuhle Petri. Seine Mutter kniete vor ihm und küßte ihm die Füße, er reichte Giulia die Hand zum Kuß, reichte Silvia den Mund. Und dann umgaben sie ihn, und er nannte die Mutter prudentia , die Schwester iustitia , die Geliebte pax und die Tochter abundantia . Klugheit, Gerechtigkeit, Frieden und Überfluß, diese vier Wesen sollten sein Leben bestimmen. Beifall im Gotteshaus, Beifall vor San Pietro, Beifall auf der Via papale bis hin zu San Giovanni in Laterano. Er spendete den Segen, all den strahlenden und gläubigen Augen, er setzte die Tiara auf und verkündete das Reformkonzil, er verkündete den Frieden auf Erden, und alle, alle jubelten ihm zu.
    Auch der Allmächtige, der Allwissende, der Allgütige lächelte ihm zu.
    Und dann schlug er die Augen auf.
    Noch immer lächelte ein liebendes Gesicht ihn an.
    Silvia lächelte.
    Er lag auf ihrem Schoß.
    »Ich bin im Himmel. Ich war Papst«, flüsterte er.
    »Du hast geträumt«, antwortete sie, ebenso flüsternd.
    Ja, er hatte geträumt. Aber er war auch die halbe Nacht geritten, hatte die Wachen an der Porta del Popolo bestechen müssen. War bis zu ihrem Haus geritten, hatte geklopft und gerufen, bis Silvia auf dem Balkon erschien. Sie ließ die Tür öffnen und verband dann selbst seine Wunden. Und auf ihrem Schoß mußte er eingeschlafen sein.
    »Du wirst frei sein«, sagte er.
    »Was ist geschehen, Alessandro, was ist geschehen? Bist du überfallen worden?« Sie schüttelte ihn. »Du hast vorhin nur wirres Zeug geredet. Giovanni erwähnt. Er käme nicht mehr. Was heißt das?«
    Langsam setzte er sich auf. »Er wird nicht kommen.«
    »Was heißt, er wird nicht kommen?« Silvias Stimme wurde immer lauter, drängender, ängstlicher.
    Langsam fühlte sich Alessandro wieder in die Wirklichkeit zurückkehren. Es war etwas Schreckliches geschehen, und dennoch erfüllte ihn ein tiefes Glücksgefühl. Vielleicht klang der Traum in ihm noch nach.
    »Du wirst frei sein«, wiederholte er.
    Aber sie trommelte ihm nun mit ihren kleinen Fäusten auf die Brust und preßte hervor: »Ich will wissen, was geschehen ist. Du bist hier in meinem Haus. Wenn Giovanni zurückkommt …«
    »Giovanni ist tot«, antwortete er.
    Silvia erstarrte.
    Nun war der Traum zerstoben, und Alessandro sah wieder das Geschehen des vergangenen Tages an sich vorbeiziehen. Der Ritt ins Tolfagebirge, nur sie beide, Giovanni und er, mit je einem Jagdhüter und ein paar Hunden. Die Schäfer erzählten ihnen von einer

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