Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
einen Orsini heiraten.«
»Aber ich sollte doch einen Orsini heiraten.«
»Wahrscheinlich einen anderen. Da gibt es viele unverheiratete Söhne.«
»Ich soll keinen Orsini heiraten!« kreischte Clarissa.
Obwohl Silvia eigentlich heulen wollte, mußte sie über Clarissa lachen, und auch Giulia ging es so. Schließlich lagen sie sich alle drei lachend in den Armen.
Als sie sich wieder beruhigt hatten, waren die Talglichter heruntergebrannt.
»Ich hätte es nicht erzählen sollen«, sagte Giulia.
Aber Silvia war plötzlich von einem verrückten Gedanken besessen. Sie wollte aus dem Kloster ausbrechen und Alessandro befreien. Sie wollte Giulia und Clarissa überreden, ihr zu helfen. Natürlich war es ein verrückter Einfall, das wußte Silvia, und sie stand neben sich, als wäre sie ihre eigene Mutter, die den Kopf schütteln mußte über die Träumereien ihrer jungen Tochter. Die gottgegebene Aufgabe der Frauen lag darin, dem Manne gegenüber gehorsam zu sein, wie es auch in der Bibel stand, und zu schweigen. ›Wir müssen keusch sein, wenn wir jung sind, während der Ehejahre Kinder gebären und großziehen und im Alter fromm sein‹ – dies hatte die Mutter einmal verkündet. Aber war dies wirklich ihre von Gott gegebene Aufgabe? Pflückte nicht Eva als erste den Apfel vom Baum der Erkenntnis? Vermochten die Töchter nicht ebenso geschickt zu reiten wie ihre Brüder, wenn man sie nur richtig auf dem Sattel sitzen ließ? Silvia selbst hatte sich nie zwingen lassen, im Damensitz zu reiten, und sie nahm es an Geschicklichkeit mit jedem Mann auf! War es wirklich Gottes Wille, daß Frauen dienten, schwiegen und Kinder in die Welt setzten? War es Gottes Wille, daß sie im Kloster eingesperrt wurden, wenn die Mitgift nicht ausreichte für eine Ehe?
Während draußen die Grillen zirpten und der Mond das Licht eines blinden Spiegels in die Zelle warf, sprachen die drei darüber, daß sie nicht immer nur eingesperrt sein wollten, zuerst im Kloster, dann in einem Haus oder, wenn sie gut verheiratet wurden, in einem großen Palast. Natürlich wollten sie Kinder haben und Gottes Geboten gehorchen, aber sie träumten von mehr. Wovon genau, konnte keine von ihnen sagen.
»Und ich möchte auch nicht im Kindbett sterben«, rief Clarissa, »wie meine Mama!«
Giulia schaute verloren auf das Kruzifix an der Wand.
»Laßt uns Alessandro befreien«, flüsterte Silvia. Die beiden schauten sie an, als hätten sich ihre Sinne verwirrt.
Natürlich hatten die beiden recht. Sie war nicht bei klarem Verstand. Wie sollten sie denn dem Kloster entfliehen? Und selbst wenn ihnen dies gelänge, wie könnten sie sich verbergen und dann auch noch in die Engelsburg eindringen?
Aber Giulia hatte eine Idee. Sie sah Clarissa auffordernd an: »Frag doch deinen Onkel Giuliano, ob er nicht etwas tun kann! Schreib ihm einen Brief!« »Und warum schreibst du nicht deinem Vater?«
kam es umgehend zurück.
»Er ist letztes Jahr gestorben, das weißt du genau.
Du bist gemein.«
Clarissa ging auf ihren Vorwurf nicht ein. »Außerdem ist Onkel Giuliano mein Vater «, betonte sie spitz.
Silvia entdeckte in Giulias Augen plötzlich etwas, was sie zuvor noch nicht wahrgenommen hatte. »Hat er dich legitimieren lassen?« fragte sie Clarissa.
»Nur Jungen werden legitimiert!« rief Clarissa und schaute Giulia böse an.
»Trotzdem könntest du deinem Vater schreiben«, sagte Silvia mit sanfter Stimme. »Er ist doch ein Freund des Heiligen Vaters und ein einflußreicher Kardinal. Wenn er ein gutes Wort für Alessandro einlegt … Bitte!«
»Und was tust du? «
»Ich schreibe an Rosella. Sie soll meinen Vater bitten …«
»Wer ist Rosella?«
»Das weißt du doch. Sie wurde mit mir überfallen und …«
»… ist jetzt die Konkubine deines Vaters.« Giulia lachte. Clarissa fiel in ihr Gelächter ein.
»Sie kriegt ein Kind«, sagte Silvia eingeschüchtert.
»Ein Kind! Von deinem Vater?« Clarissa kreischte auf.
Als sie sich beruhigt hatte, erklärte Giulia, sie wolle an den Heiligen Vater persönlich schreiben und außerdem noch an Kardinal Borgia. »Der Kardinal liebt seine Kinder, das weiß ich, und keine Frau sagt ihm, was er zu tun hat.«
»Mein Vater haßt ihn, wie alle Spanier«, warf Clarissa ein. »Der Borgia ist das Werkzeug des Antichrists sagt mein Vater immer, ›weh uns, wenn er den Stuhl Petri besteigt.‹«
»Morgen schreiben wir die Briefe«, rief Silvia. Giulia und Clarissa nickten. Die drei legten die Hände aufeinander, als
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