Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Brei in den Mund. Die Mutter Oberin kümmerte sich persönlich um sie und wusch ihren dürren, glühenden Körper. Silvia rief nach Alessandro, damit er sie rette und entführe, aber nun erschien er nicht mehr. Die Wunden an ihrem Körper schlossen sich, kein Blut floß mehr aus ihm, und sie begann zu genesen. Sie dankte der Muttergottes und der heiligen Barbara und schwor, sich der allumfassenden Kirche zu opfern, den Schleier zu nehmen und sich nie mehr in die Welt hineinzubegeben.
Nach einer Weile verschwand das Fieber gänzlich, Silvias Körper gewann seine Kräfte zurück. Sie durfte wieder mit den anderen essen und am Unterricht teilnehmen. Sie lächelte die Mutter Oberin an und versprach ihr, wie sie ihr Leben im Kloster zu verbringen. Sie hatte der Welt entsagt. Ihr Opfer machte sie glücklich. Und seit langem schlief sie wieder traumlos und in Einklang mit Gott. Die Jungfrau Maria neigte ihr gnadenreiches Haupt, und der Gekreuzigte blickte mild auf sie herab. Der Frieden, der sie durchströmte, wurde nur gestört durch den Gedanken an ihren Retter. Er schmachtete in den Verliesen der Engelsburg. Silvia wußte nicht, wie sie ihm helfen sollte. Aber tröstlich war die Vorstellung, daß auch sie jetzt eingesperrt war. Wer das Opfer annahm, fand Frieden. Ob auch ihr Alessandro einmal Frieden finden würde?
Eines Morgens, als Silvia vom Lateinunterricht kam und die Arkaden des Kreuzgangs entlanghüpfte, sah sie zwei junge Mädchen, die, wie sie vor noch nicht sehr langer Zeit, in die Obhut der Mutter Oberin gegeben wurden. Zwei Novizinnen der heiligen Cecilia vielleicht oder auch nur Zöglinge wie sie. Silvia rannte neugierig zu ihnen. Obwohl sie die Mutter Oberin mit freundlichen Worten in die Zelle schickte, erfuhr sie doch ihre Namen: Clarissa und Giulia. Sie drückte ihnen die Hand. Schon vom ersten Blick an wußte Silvia, daß sie zusammengehörten, und strahlte vor Freude.
Ihr erster Eindruck täuschte sie nicht. Sehr schnell stellte sich heraus, daß alle drei nicht nur Latein beherrschten, die alten Römer bewunderten, für Boccaccio und Petrarca schwärmten, Laute spielen und singen konnten, sondern daß sie eine tiefe Herzensübereinkunft verband. Die Mutter Oberin gab ihnen angrenzende Zellen und ließ es zu, daß sie im Refektorium und während der Andachten nebeneinander saßen.
Silvia konnte sich an Giulias Anblick nicht satt sehen. Sogar in der eintönigen Klostertracht, die das Haar verbarg und sie alle häßlich machte, leuchtete ihr Gesicht. Selbst Rosella, die nicht mit körperlichen Reizen geizte, wirkte neben ihr bäurisch. Einmal half Silvia ihr beim Auskleiden, und dabei sah sie auch ihr blondes Haar, das weit über die Hüften fiel. Die großen, auseinanderstehenden Augen schauten Silvia undurchdringlich an. Trotz der blonden Haare waren sie dunkel, und dann das Lachen, das aus Giulia herausbrach … Sie umarmte Silvia und küßte sie, lachte und weinte zugleich, und Silvia vergaß die düsteren Stunden der Vergangenheit.
Clarissa dagegen, schon etwas älter, trug tiefschwarze Haare, und ihre grauen Augen starrten Silvia und Giulia feindselig an. Im Gegensatz zu Giulia war sie füllig. Sie naschte gern Konfekt, besonders Marzipan. Manchmal lachte sie ohne Grund und konnte dabei so anhaltend kreischen, daß die Mutter Oberin schon befürchtete, sie sei vom Teufel besessen. Silvia bekreuzigte sich, Giulia und Clarissa folgten ihr, sie beugten das Haupt und flüsterten das Pater noster .
Aber die eigentliche Fügung lag darin, daß Giulia eine Farnese war, mehr noch: Sie war Alessandros Schwester. Silvia dankte Gott für dieses Wunder, aber Clarissa meinte nur, von Wunder könne keine Rede sein, denn schließlich sei das Kloster Santa Cecilia, dessen Titularbischof Kardinal Borgia sei, unter den vornehmen Familien Roms sehr beliebt. Und Mama Farnese, eine Tochter der Caetani-Familie, wolle nur das Beste für ihr schönes Kind. Clarissas Stimme klang spöttisch und ein wenig neidisch. Dabei hatte sie keinen Grund, neidisch zu sein, denn schließlich war sie eine della Rovere, ihr Onkel Giuliano ein einflußreicher Kardinal.
Ein paar Tage später hatten die drei sich gegenseitig schon einige Geheimnisse anvertraut. Nach dem Completorium hatte Silvia, als sie bei einem flackernden Talglicht in ihrer Zelle hockten wie Verschwörerinnen, von dem Überfall erzählt, von dem Tod ihrer Mutter und all den schrecklichen Ereignissen. Giulia strich ihr tröstend über den Kopf. Silvia vergoß ein
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