Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
erschien ein Diakon aus dem Hause des Kardinals Borgia. Dem Kardinal sei zu Ohren gekommen, erklärte er, daß die aus dem Kloster Santa Cecilia geflohene Mutter Oberin wieder nach Hause gefunden habe. Es gebe aber Hinweise, sie sei vom Teufel besessen. Bevor sie als Hexe verfolgt und womöglich verbrannt werde, biete Kardinal Borgia als ihr Beichtvater und als Titularbischof des Klosters an, in seinem Palast einen exorcismus vorzunehmen, um das gefährdete Wesen zu retten. Meine Eltern waren entsetzt. Sie verstanden nicht, warum Ippolita das Kloster verlassen, was sie so zugerichtet und was der Kardinal Borgia mit der ganzen Sache zu tun hatte. Aber wenn der Herr Kardinal sich der Tochter annehmen wolle … Versteht ihr? Ippolita stürzte immer wieder zu Boden, wand sich in einer Haltung der Verzückung, hielt ihren Bauch, als sei sie schwanger, und stieß dei genitrix hervor.«
»Und was tatest du?« fragte Alessandro.
Giulia hing mit ängstlich aufgerissenen Augen an seinen Lippen.
»Nichts. Was sollte ich tun? Ich weiß ja selbst nicht, was geschehen ist. Weißt du denn was?« Fragend schaute er Alessandro an.
Alessandro schüttelte den Kopf.
»Und was geschah nun mit Ippolita?« fragte Giulia stockend.
Giovanni zuckte mit den Schultern und wandte sich mit Tränen in den Augen ab.
»Laßt uns zum Kamin gehen, hier ist es kalt«, sagte Alessandro.
»Sie ist doch nicht etwa tot?« flüsterte Giulia.
»Ich glaube nicht, aber Kardinal Borgia schweigt sich aus«, antwortete Giovanni. »Sie sei an einen sicheren Ort verbracht worden und büße dort, hat jemand aus seiner Umgebung verlauten lassen.«
Alessandro hatte sich vor das Feuer gesetzt und starrte an die Kassettendecke, über die wirre Schattenformen huschten. Giulia hielt Giovanni tröstend die Hand. Ugo beobachtete sie mit brennenden Augen, Accurse schaute ernst. Angelo, der die ganze Zeit zugehört, aber kein Wort gesprochen hatte, warf ein Holzscheit ins Feuer und murmelte ein Gebet vor sich hin. »Unsere Mutter hatte recht«, sagte er unvermittelt. »Seid nüchtern und wachsam, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen könne.«
Das Feuer war hochgelodert und strahlte eine glühende Hitze aus. Alessandro liefen Schweißtropfen die Stirn hinunter.
»Nur der standhafte Glauben widersteht ihm und kann uns Kraft geben«, fuhr Angelo mit fester Stimme fort. Er warf ein Scheit nach dem anderen in das schon lodernde Feuer, bis der Kamin die Flammen nicht mehr fassen konnte und sie in den Großen Saal zu lecken begannen.
»Er allein kann den Feind in uns besiegen!«
Alessandro ließ sein Pferd in einen Zwischengalopp fallen. Er wollte sich nicht wieder zurückziehen lassen nach Capodimonte oder Rom. Er wollte die unangenehmen Vorkommnisse der vergangenen Wochen und Monate vergessen. Was ihn jedoch beschäftigte, war das schiefe Grinsen, das Crispo nicht unterdrücken konnte, als er die Gerüchte um Rosellas Bastard erwähnte. Dieses Kind und seine Mütter sollten ihr Fangnetz nicht bis nach Florenz auswerfen!
Zu seinem Erstaunen tauchte plötzlich Angelo neben ihm auf. Sein Bruder spornte sein Pferd an, als wolle er ein kleines Wettrennen mit ihm veranstalten. Alessandro ging darauf ein, gab seinem Rappen sogar die Sporen. Und nun galoppierten die beiden Pferde mit gestrecktem Kopf nebeneinander her. Ja, das hatte er noch nie getan – er lieferte sich mit seinem Bruder ein Rennen. Und Angelo konnte erstaunlich gut mithalten. Die Pferde galoppierten, was die Hufe hielten. Alessandro gewann eine halbe Länge, schaute sich nach Angelo um, der nach vorne starrte und nicht aufgeben wollte. Alessandro saß auf dem schnellsten Pferd im ganzen nördlichen Latium, er war der bessere Reiter – da wagte sein Bruder doch tatsächlich, ihn herauszufordern. Er berührte die Flanke seines Rappens mit der Peitsche, und der Rappe legte noch einmal zu. Alessandro juchzte auf vor Freude, und ihn durchfuhr ein lange vermißtes Freiheitsgefühl, ein Gefühl, zu siegen und alles erreichen zu können.
Angelo fiel zurück, und nach einer Weile, als auch sein Rappe zu ermüden begann, ließ Alessandro ihn nur noch traben und wartete auf seinen Bruder. Angelo erreichte ihn bald. Er saß kerzengerade im Sattel, dabei nicht steif, alles Gebeugte, das ihn sonst auszeichnete, war abgefallen. Da ritt er, der zukünftige Condottiere, der Kämpfer gegen die Ungläubigen, Mutters Liebling, stolz wie ein Caetani und
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