Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
ein.
Ein schwarzgekleideter Priester kniete neben ihr und rief den Allmächtigen, seinen eingeborenen Sohn und die gnadenreiche Jungfrau an.
Die roten Haare des Vaters standen wirr nach allen Seiten.
Ein Mann tauchte auf, zog ihren Arm vom Leib weg, setzte ein Messer an, schnitt ihr in die Armbeuge, und ihr Blut sprudelte lustig wie ein kleiner Springbrunnen.
Wie eine rote Rose auf dem Schnee der Haut, hörte sie eine weiche, ferne Stimme. Und die Stimme sang. Sie sang ihre eigenen Worte. Rosella sang.
Mein kurzes Leben hab ich nicht vertan !
TEIL II
DIE JAHRE DER ERWARTUNG
18. K APITEL
Bolsena lag hinter ihnen. Alessandro hatte sich an die Spitze der Reitergruppe gesetzt und genoß den frischen Wind auf seiner Haut. Die Hügellandschaft strahlte nach einem nächtlichen Gewitter kühle Morgenklarheit aus. In den Zweigen der Bäume glitzerten noch die Wassertropfen, manche fielen auf ihn, wie Punkte, die einen langen Satz beenden. Die Last der letzten Tage war von ihm gewichen, die düstere Stimmung zwischen der Mutter und den drei Geschwistern, die sich aus dem Weg gingen, um sich nicht wieder streiten zu müssen.
Zum Glück hatte er nicht mehr lange auf die Ankunft von Giovanni Crispo und den beiden Provençalen warten müssen. Er begrüßte Crispo schon auf der Brücke und ließ sich die beiden Mitreisenden vorstellen: Accurse Maynier und Ugo Berthone. Accurse, ein Doktor beider Rechte, wolle in Florenz nur eine Zwischenstation einlegen, er reite bald weiter nach Venedig, wo er eine Anstellung bei Dogen suche. Ugo dagegen, doctor philosophiae der Universität Bologna, plane, in Florenz Griechisch zu lernen und außerdem an der Accademia Platonica die größten Geister Italiens kennenzulernen.
Die Pferde wurden abgegeben, der Staub von der Kleidung geschüttelt. Im Großen Saal begrüßte Giulia die jungen Männer. Sie raffte ihr Kleid, verbeugte sich und legte Giovanni die Hand auf den Arm, als seien sie schon lange gute Freunde. Ugo Berthone, in der leicht abgeschabten Kleidung eines Scholaren, trat einen Schritt zurück, lief aber, wie Alessandro sofort bemerkte, dunkelrot an. Seine Augen waren auf Giulia geheftet, als müßte er sich jeden Zug ihres gleichmäßig geschnittenen Gesichts einprägen. Accurse Maynier, auffallend teurer gekleidet, lächelte ironisch.
Nun erschien auch die Mutter. Giovanni Crispo übergab ihr eine bemalte Obstschale als Geschenk und brachte gleichzeitig freundliche Grüße von Kardinal della Rovere, der ausrichten lasse, der Heilige Vater habe sich nach dem Flüchtling erkundigt und betont, er sei nicht nachtragend.
»Dem Herr sei Dank, meine Gebete wurden erhört«, rief sie mit einem vielsagenden Seitenblick auf Alessandro. Dann machte sie eine Geste, als wollte sie von dem Thema ein für allemal nichts mehr hören.
Als sie zu Abend speisten, konnte Ugo Berthone, der seine dichten lockigen Haare inzwischen von seiner Kappe befreit hatte, noch immer nicht seine Augen von Giulia lassen und grinste blöde wie ein Verliebter. Sie erwiderte, spöttisch lächelnd, seinen Blick und genoß offensichtlich die kaum zu übersehende Bewunderung. Accurse führte mit der Mutter ein höfliches Gespräch über die Zucht der Seidenraupe und den Anbau von Maulbeerbäumen, während Angelo schweigend und gedankenverloren vor sich hin aß.
»Ich glaube, du könntest bald wieder nach Rom zurückkehren.« Giovanni Crispo hatte sich mit leiser Stimme an Alessandro gewandt. Er näherte ihm sein Gesicht noch mehr und flüsterte: »Silvia Ruffini läßt dich grüßen. Ich traf sie während der Messe. Ihre frühere Kammerfrau hat ein Kind bekommen – von Silvias Vater, so erzählt man sich. Aber es gibt auch andere Gerüchte.« Crispo verzog seinen Mund zu einem schrägen Grinsen.
Die Mutter warf einen kurzen Blick auf die beiden, ließ sich aber gleichzeitig von Accurse die Vorteile der Seidenraupenzucht erklären.
Als sie ins Bett gegangen war, wie immer früh, erkundigte sich Giulia nach Ippolita. Crispo wollte zuerst nicht heraus mit der Sprache, seine Stimme wurde leise, aber schließlich begann er doch zu berichten.
»Vor Wochen tauchte Ippolita in einem Zustand höchster Verwirrung zu Hause auf, voll blauer Flecken, auch blutend. Sie sprach nur davon, daß der Teufel sie aus dem Kloster entführt habe, der Teufel mit Hörnern auf dem Kopf und einem langen Schwanz. Dann kreischte sie auf vor Lachen. Wir ließen einen Medicus kommen, der sich aber nicht äußern wollte. Und schon
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