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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Augen glänzten blutunterlaufen, und beim Sprechen versprühte er feine Speicheltröpfchen.
    »Keine Ahnung«, antwortete ich zögernd, »ich kannte euch doch gar nicht.«
    »Es stand jedem frei, sich auf seine Art am Mai-Einsingen zu beteiligen«, meinte Marten süffisant. »An Prügeleien mit dem Proletariat findet schließlich nicht jeder Geschmack. Quod licet Iovi, non licet bovi.«
    Das passte zwar nicht ganz, aber es saß. Arndt schluckte. Seine schmalen Hände ballten sich zu Fäusten. Konstantin versuchte es mit einer versöhnlichen Geste, fand aber keine Beachtung. Der junge Bünting stand unter Dampf wie ein Schnellkochtopf.
    »Super Spruch«, schrie er den Langen an. »Super Spruch, du Supersprücheklopfer! Aber dann verrate mir mal, was du hier zu suchen hast, ausgerechnet du. Weißt du, Max, ich habe nämlich letztes Semester bei der Mensur nicht standgehalten. Das fand er ... unwürdig fand er das, der tolle Marten. Behandelte mich wie einen Sextaner. Wie einen Bettnässer. Hinterher hab ich erfahren, dass er drei Anläufe gebraucht hat, bis sie ihm das Burschenband schließlich aus Mitleid gegeben haben.«
    Marten lächelte und begann seine Pfeife zu stopfen. Wenn er getroffen war, so ließ er es sich nicht anmerken. Einige der Umstehenden hatten sich uns zugewandt und verfolgten den Ausbruch Arndts mit leeren Blicken. Ein älterer Bursche mit spektakulär ausgefranster Narbe legte ihm den Arm um die Schulter. »Lass doch den Scheiß, Kleiner«, brummte er. Er stank entsetzlich aus dem Mund.
    »So war es doch, Marten?«, rief Arndt und schüttelte den anderen ab.
    »Verdammt noch mal, Arndt«, fluchte Konstantin. »Lass uns morgen drüber reden, wenn wir ...«
    »Warum weicht der mir aus?«, schrie Arndt. »Schau mich doch mal an, Feigling!«
    Marten widmete sich in aller Seelenruhe seiner Pfeife.
    »Der weicht mir aus, der Typ, die ganze Zeit schon.«
    »... morgen, ja? Nicht in dieser aufgeheizten Atmosphäre.«
    »Natürlich, er kneift mal wieder, der große Feldherr!« Arndt knallte sein leeres Bierglas auf die Theke. »Und warum? Weil er der größte von all diesen Drückebergern ist, deshalb!« Sprachs und stürmte davon, sich mit beiden Händen den Weg durch die Gäste bahnend.
    »Hoppla!«, rief Professor Arsani, als Arndt an ihm vorbeirauschte. »Bünting, wo wollen Sie denn ...?« Kopfschüttelnd kam er zu uns herübergeschlurft, seine besoffene Verehrerin im Schlepptau. »Was ist denn mit dem los?«
    »Kleine Meinungsverschiedenheit«, gab Marten in seiner charmantesten Art zurück. »Und Ihr Vortrag war der Anlass. Ich habe meinem Kommilitonen erklärt, warum ein Mann wie Jacob Burckhardt heute nicht mehr zitierenswert ist.«
    »Oho, oho«, machte Arsani mit großen Augen. »Sagen Sie das nicht, Micevski, sagen Sie das nicht!«
    Ich sah Marten überrascht an. Wieso erwähnte er plötzlich den Namen dieses ... ja, eines der Toten auf dem Bergfriedhof? Und dann auch noch desjenigen, auf dessen Grab die Leiche gelegen hatte? Was für einen Sinn ergab das?
    »Die Alten wird man wieder lesen«, sagte Arsani mit erhobenem Zeigefinger, »denken Sie an mich, Micevski. Die feiern fröhliche Urständ. Und ein Burckhardt wird die ... äh, ihre Speerspitze sein, jawohl.«
    Die Alten ... allmählich dämmerte mir etwas. Dieser Jacob Burckhardt musste Kunsthistoriker gewesen sein, genau wie Arsani, bloß einige Generationen vor ihm. Und sein Name war es auch gewesen, der mich während des Vortrags aus meinem Nickerchen gerissen hatte. Mit dem Burkhardt vom Bergfriedhof hatte er nichts zu tun und mit meinem Schulfreund von früher, der sich tot gesoffen hatte, schon mal gar nicht. Gut, das wäre geklärt. Geklärt wären auch die Grenzen meiner soliden Halbbildung, und das durch den Clown Arsani, ausgerechnet. Wie der Professor schon dastand! Krumm und bucklig, eine Hand um sein Bierglas geklammert, die andere fest um eine Pobacke der Brünetten. Dennoch schaffte er es, sich mit einem Finger der Bierhand – dem, der eben noch so mahnend nach oben gezeigt hatte – etwas Fliegendreck von der Nase zu kratzen. Dass ihm aufgrund seiner Statur dabei die filzigen Haare ins Glas fielen, ließ sich nicht vermeiden. Arsani war eine Witzfigur. Aber er hatte fünf Finger am schönsten Arsch weit und breit.
    »Apropos«, sagte der Professor. »Hat sich die Sache mit dem Jugoslawen eigentlich geklärt, Micevski?«
    »Soviel ich weiß. Aber da sollten Sie Arndt Bünting fragen.«
    »Wollte ich ja. Bloß, bei dem Tempo

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