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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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...« Arsani kicherte.
    Marten zog schweigend an seiner Pfeife. Konstantin sammelte unsere leeren Gläser ein und begann sie erneut zu füllen. Das war meine Chance.
    »Um auf Jacob Burckhardt zurückzukommen«, wandte ich mich an den Kunsthistoriker, »da bin ich ganz Ihrer Meinung. Man wird die Alten wieder lesen. Wie mir überhaupt Ihr Vortrag außerordentlich gefallen hat.« Martens Gesichtsausdruck in diesem Moment hätte mich interessiert.
    »Ah ja?«, fragte Arsani zerstreut. »Danke.«
    »Gestatten: Koller, Max Koller. Von den Neckar-Nachrichten .«
    »Oh, Sie haben die Presse eingeladen?« Nun war er hellwach und reichte mir hocherfreut die Hand.
    »Nicht direkt«, musste ihn Marten enttäuschen. »Herr Koller weilt eher als Privatmann unter uns.«
    »Das stimmt, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, Sie einmal in der Reihe Wertvolle ..., äh: Wichtige Köpfe unserer Heimat vorzustellen, Herr Professor.«
    »Tatsächlich?«, machte Arsani und kniff der Brünetten, die selig an seiner Schulter gedöst hatte, vor Begeisterung in den Hintern. »Was?«, fragte sie irritiert und klammerte sich an seine Krawatte.
    »Unser lieber Herr Koller«, warf Adlernase in seiner essigsauren Art ein, »arbeitet gerade an einer Denkschrift für einen verdienten Mitbürger: Herrn Bünting, Arndts Großvater.«
    »Das ist richtig«, sagte ich. Warum mischte der Typ sich immer wieder ein? Versuchte er ein Vieraugengespräch zwischen Arsani und mir zu torpedieren?
    Arsani wollte etwas antworten, doch da beugte sich die Brünette zu seinem Ohr hinunter und flüsterte so laut, dass wir alle es hören konnten: »Scheiße, ich glaub, ich muss kotzen.«
    Das war die richtige Gelegenheit für alle Umstehenden, ihre Gentlementauglichkeit unter Beweis zu stellen. Die einen schauten zur Seite, die anderen in ihr Glas, der Professor räusperte sich und führte die schöne Schnapsleiche geradezu beschwingt Richtung Toilette. Ich nutzte die Gelegenheit, um Arndt zu suchen, wurde aber von Marten aufgehalten.
    »Max«, sagte er ganz freundlich – er nannte mich zum ersten Mal bei meinem Vornamen – »Max, Sie sollten dem, was Arndt heute von sich gibt, keine Bedeutung zumessen. Er hat sich zurzeit nicht im Griff. Hat noch nicht gelernt, Niederlagen einzustecken.«
    »Klar«, sagte ich, ganz väterliches Verständnis. »Ist doch klar, Mann.« Dann machte ich mich los.
    Den jungen Bünting traf ich auf der Herrentoilette. Er stützte die Arme auf das Waschbecken und betrachtete angewidert sein Konterfei im Spiegel. Ich stellte mich neben ihn.
    »Lass dich von Marten nicht unterkriegen«, sagte ich. »Der ist doch nicht halb so souverän, wie er tut.«
    »Was geht denn Sie das an?«, blaffte er zurück.
    »He, bin ich jetzt auch eine Persona non grata?«
    Er zuckte die Achseln. Über sein zartes Jungengesicht tobte eine wilde Mischung aus Anspannung, Hass, Verachtung und Weltekel.
    »Euer dämliches Männlichkeitsgehabe ist mir egal, Arndt. Ich weiß bloß eins: Wenn du gestern auf die Hilfe von Marten und Konstantin gewartet hättest, müsstest du jetzt zum Schönheitschirurgen.«
    »Na und? Spielt doch eh keine Rolle.«
    »Spielt doch eh keine Rolle«, äffte ich ihn nach. Was für ein Benehmen! So stellte ich mir 14-Jährige vor, wenn sie von der Pubertät geschüttelt wurden. Aber der hier war Anfang 20 und auf dem Weg zur Zwischenprüfung. Ich gab es auf und stellte mich an ein Pissoir. Arndt verharrte unbeweglich vor dem Spiegel; ich hörte, wie er ein paarmal »Scheiße« murmelte. Dann spuckte er laut und heftig aus. Ich drehte mich um. Arndt war fort; auf dem Spiegel zerfloss ein hässlicher Batzen Speichel. Fluchend eilte ich dem Jungen nach und erwischte ihn noch auf dem Flur.
    »Verdammt noch mal, was ist denn los mit dir?«, rief ich, packte ihn am Schlafittchen und schüttelte ihn. »Drehst du jetzt völlig durch? Mit dir stimmt doch was nicht!«
    Durch die offene Tür des Damenklos – ja, so etwas gab es hier – sah ich Arsani und die Brünette aufeinander herumturnen. Das Mädchen lag mit halb offener Bluse und herausgerutschter Brust auf dem Boden und zählte selig ihre Finger. Der Professor kniete über ihr und versuchte vergeblich, den Busen wieder in die Bluse zurückzustopfen, sobald er uns gewahr wurde.
    »Lass mich in Ruhe!«, keuchte Arndt und schlug meinen Arm zur Seite.
    »Erst, wenn du mir erzählt hast, was dein Problem ist.« Ich schüttelte ihn erneut kräftig durch, als könne ihm das helfen, eine Last

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