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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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geschlagenen Sinne nicht fähig. Hoppla, ein Geisterbahnbünting. Heute fand ich das spaßig.
    Bünting ließ mich auslachen. Er hatte alle Zeit der Welt, denn er stand warm und trocken unter einem Regenschirm, während ich mich im nassen Gras wälzte. Meine Güte, ich musste fürchterlich aussehen. Wie lange lag ich schon da? Ich stützte mich auf meine Hände, zog die Beine an und versuchte aufzustehen. Ups! Das ging in die Hose. Lieber im Dreck sitzen bleiben.
    »Haben Sie gesoffen, Koller?«, fragte Bünting von oben. Seine Worte fielen wie Eissplitter auf mich herab, kälter als der Regen und der Boden und die Nacht. »Was machen Sie hier auf meinem Grundstück?«
    Ja, was tat ich hier? Gute Frage. Ich hatte sie mir auch schon gestellt. Und Büntings Worte halfen mir, sie zu beantworten. Mit jedem seiner Sätze wurde ich ein wenig wacher. Ich erinnerte mich an einen Faustschlag, an ein totes ukrainisches Mädchen, eine nächtliche Fahrt bei aufkommendem Gewitter ... Mit einer Hand wischte ich mir den Regen aus den Augen. Verdammt, tat das weh! Schon wieder hatte es das linke Auge erwischt.
    Der Silberrücken sah angewidert zu mir herab. Er hielt seinen Schirm so, dass mir der Regen, der sich auf ihm sammelte, direkt ins Gesicht floss. Eine kleine zusätzliche Gemeinheit, aber sie war mir schnuppe. Ich war ohnehin durchweicht wie eine Zeitung in der Biotonne, und genauso stank ich auch.
    Vielleicht klappte es nun mit dem Aufstehen? Der Versuch begann vielversprechend; meine Knie hielten stand, die Waden zitterten, ohne nachzugeben, jetzt der Oberkörper ... das Gleichgewicht suchen ... finden ... Luft holen, ausatmen ... – geschafft. Prompt setzten die Kopfschmerzen ein. Als hätten sie nur auf diesen Moment gewartet! Ich brauchte dringend ein Bett.
    »Sie stinken«, sagte Bünting.
    Wenigstens befanden wir uns nun auf gleicher Höhe. Ich sah mich um. Sie hatten mich dort, wo mich der Fausthieb getroffen hatte, einfach liegen gelassen, am Übergang zwischen Wimbledonrasen und Buschwerk. Die Villa war ein kompakter dunkler Würfel, nur aus einem schmalen Riss im Eingangsbereich quoll weißes Licht.
    »Koller, Sie sind einfach widerlich«, hörte ich Bünting sagen. »Saufen Sie eigentlich nur noch? Ich hätte Ihnen niemals Geld geben sollen.«
    »Moment«, sagte ich. Warum beschimpfte mich der Alte? Warum bespuckte er einen, der von Kopf bis Fuß durchnässt war? Mühsam machte ich ein paar Schritte nach hinten in den Garten. Wenn mich nicht alles täuschte, gab es dort einen kleinen Tümpel. Bünting folgte mir misstrauisch.
    Ja, da war ein Teich, hübsch angelegt mit Steinen, Schilfgras und Seerosen. Am liebsten hätte ich mich der Länge nach hineingelegt, aber ich beließ es dabei, mich hinzuknien und meinen schmerzenden Schädel ins Wasser zu tunken. Was für eine Erleichterung!
    Ich kann mir ausmalen, was für einen lächerlichen Anblick ich bot. Den Kopf zwischen Seerosen, den Hintern in die Nacht gestreckt. Na und? Bünting hätte mich mit einem Fußtritt in den Teich befördern können. Es war mir egal. Ich hatte ein paar herrliche Sekunden da unten im Wasser: in einer kalten, schwarzen, öligen Flüssigkeit, die meine Kopfschmerzen wegwischte, als wären sie bloß eine schlechte Angewohnheit. Warum bleibst du nicht dort unten?, fragte eine sehr vernünftig klingende Stimme. Warum schwimmst du nicht einfach los? Geht nicht, sagte ich bedauernd, ich habe da noch eine Rechnung offen. Mit einem Mörder.
    Prustend kehrte ich in die Welt des Mörders zurück. Ich schüttelte das Wasser aus meinen Haaren und richtete mich auf. Sogar meine schmerzenden Augen nahmen wieder Konturen wahr. Von oben pladderte Regen herab. Sie hatten ihn ja angekündigt, und nun war er da. Endlich.
    »Sie sollten sich schämen, Koller«, sagte Bünting, aber der Ekel, der ihm ins Gesicht geschrieben stand, war falsch. »Ihre ...«
    »Sie Arschloch«, unterbrach ich ihn. »Schalten Sie Ihr Tonband ab! Sie sind doch nichts als ein drittklassiger Laienschauspieler. Und jetzt ist Schluss damit.«
    »Sie, Koller, brechen hier in mein ...«
    »Ihr Haus, richtig«, rief ich. Bloß nicht mehr ausreden lassen! »Reden wir über Ihr Haus. Da steht es, hässlich wie eh und je. Aber die hübsche kleine Haushälterin, wo ist die wohl, Herr Bünting? Können Sie mir das verraten?«
    »Sie sind ja ...«
    »Sollen wir sie suchen gehen? Wir zwei, jetzt gleich?« Ich drängte ihn vor mir her, und er wich zurück, weniger vor meinem drohenden Blick

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