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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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als vor meinen Ausdünstungen.
    »Rühren Sie mich nicht an, Sie Wahnsinniger!«
    »Wie wäre es mit der Stelle dort drüben, an der Grundstücksgrenze? Ihre Gitterstäbe haben verdammt spitze Enden. Haben Sie Geld dabei? Wir könnten uns auf Selbstmord einigen. Ach, Unsinn, dazu bräuchte man ja eine Leiche, und die wird längst nicht mehr dort sein, natürlich nicht. Während der Koller selig schlummert, lässt sich einiges arrangieren, nicht wahr? Bekommt die Friedhofsleiche jetzt Gesellschaft?«
    »Ich hätte Sie niemals engagieren dürfen.«
    »Hören Sie auf, Bünting! Elender Schmierenkomödiant ... Ist doch immer die gleiche Platte, die Sie auflegen: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Die drei Affen in einer Person. Wollen wir wetten, hm? Wollen wir wetten?«
    Er schwieg. Der Regenschirm zitterte leicht in seiner Hand.
    »Okay, versuchen wir es. Frage Nummer eins: Wo steckt Ihre Haushälterin? Im Bett? Irgendwo hier draußen? Sollen wir nachschauen?«
    »Katerina hatte heute Abend Ausgang«, antwortete er zu meiner Überraschung. Die Sätze kamen nur widerstrebend über seine Lippen, aber auch das konnte gespielt sein. »Sie hatte Ausgang. Wo und wie sie ihre Zeit gestaltet, habe ich sie nicht gefragt.«
    »Na, sehen Sie?«, rief ich. »Wusste ich es doch. Und morgen machen wir mit besorgter Miene Meldung bei der Polizei. Oder übermorgen. Oder nächstes Jahr. Wer sorgt sich schon um eine Putze aus der Ukraine? Wen interessieren diese Menschen zweiter Klasse, denen es nicht gelingt, ihr bisschen Leben privatwirtschaftlich zu optimieren? Einen Hanjo Bünting jedenfalls nicht. Sie kümmert das einen Dreck. Und wo ist die Leiche jetzt? Wo habt ihr sie hingebracht? Vergraben, verbrannt, im Neckar versenkt? Läuft alles ab wie letzten Freitag? Während wir beide Konversation machen, fährt ein Wagen Richtung Sondermülldeponie.«
    »Was für ein Wagen?«, fauchte Bünting. »Wovon reden Sie? Hier war niemand.«
    »Niemand«, höhnte ich. »Natürlich! Und was ist mir eben ins Auge geschwirrt? Ein Ast vielleicht? Sie können es nicht gewesen sein, jemand wie Sie macht sich die Hände niemals schmutzig, schon gar nicht im Gesicht eines versoffenen Schnüfflers. Dafür haben Sie Ihre Dienstboten und Kofferträger, die für Sie die Scheiße vom Gehsteig kratzen. Immer die anderen, und Sie sind fein raus, weil Sie denken, mit Geld kann man alles kaufen. Keine Angst, Bünting, ich kriege Ihren Profiboxer, ich weiß jetzt, wie seine Faust riecht.« Beinahe hätte ich den Namen Schafstett genannt, besann mich aber rechtzeitig. Besser, der Alte wusste nicht, dass ich den Mann kannte.
    »Sie verschwinden jetzt auf der Stelle, Koller«, blaffte Bünting zurück, »oder ich hole die Polizei. Und Sie lassen sich nie wieder hier blicken!«
    »Die Polizei!«, rief ich heiser. »Die Polizei! Na los, nur zu, mein Bester! Einen größeren Gefallen könnten Sie mir gar nicht tun. Aber das werden Sie nicht, es wäre das Letzte, was Sie täten. Sie müssen doch warten, bis der Regen das Blut vom Zaun gewaschen hat, bis Ihre rechte Hand Vollzug meldet, bis man so tun kann, als hätte man gerade eben das Verschwinden des Mädchens bemerkt.«
    »Sie sind verrückt«, murmelte er. »Hauen Sie ab.«
    Natürlich verschwendete er keinen Gedanken daran, die Polizei zu informieren. Eine leere Drohung. Er hatte nur noch einen Wunsch: mich nicht länger ertragen zu müssen. Warum hatte er mich nicht auf die Straße befördert, während ich den Schlaf der Gerichteten schlief? Warum mich Katerina nicht einfach hinterhergeschickt? Weil mein Verschwinden auffallen würde, deswegen – im Gegensatz zum Ableben einer osteuropäischen Zugehfrau. Weil meine Freunde wussten, hinter wem ich her war, und weil sie die ganze Stadt (oder zumindest den halben Englischen Jäger ) auf Bünting hetzen würden, wenn er mir an den Kragen wollte; während Katerinas Eltern wahrscheinlich nicht einmal die notwendigen Telefonate von Kiew nach Heidelberg zahlen konnten, um etwas über den Verbleib ihrer Tochter herauszufinden. Selbst die Entscheidung, wen du umbringst und wen du verschonst, hat etwas mit Geld zu tun.
    Und jetzt? Was tun? Mir mit Gewalt Zutritt zu seinem Haus verschaffen? Aber was hätte ich dort suchen sollen, was hätte ich zu finden gehofft? Nein, es lief genauso wie vor Tagen auf dem Bergfriedhof: Sie waren zu zweit, der Helfer hieß wahrscheinlich Schafstett, und sie bevorzugten Arbeitsteilung. Der eine verwirrte die Leute, der andere war

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