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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Pistole wanderte von einer Hand in die andere. Ich schielte über meine Schulter zur Balkontür: zu weit. Er würde meinen Rücken durchsiebt haben, bevor ich an die frische Luft kam.
    Schafstett trat vor mich hin und richtete die Waffe auf mich. »Los, leer deine Taschen aus. Damit ich sehen kann, ob du etwas mitgenommen hast.«
    »Ich dachte, es gibt keine Beweise«, sagte ich. Katerinas Kette lag still in meiner Hosentasche.
    »Gibts auch nicht. Los, fang an.«
    »Schau doch selbst nach, Dicker. Ich brauche keine Beweise mehr. Ich weiß ohnehin, wie es gelaufen ist. Gestern Abend hast du mal wieder die Drecksarbeit verrichten müssen. Genauso wie Freitagnacht; damals der Jugo, diesmal das Mädchen.«
    »Quatsch!«, brüllte der Boxer.
    »Und die Arbeit ist noch nicht zu Ende. Wo hast du die Plastiktüte mit Katerinas Klamotten hingebracht? Weit kannst du nicht gefahren sein. Zur nächsten Müllverbrennungsanlage vielleicht?«
    »Quatsch!«, wiederholte er, ein wenig leiser. Ich hatte Schafstett richtig eingeschätzt. Solange er seine Fäuste benutzen durfte, war er der George Foreman von Wieblingen, ein stummes Fleischgebirge, ein Koloss, der über ein paar Watschen lacht, bevor er selbst einmal trocken und tödlich zuschlägt. Aber wenn es ans Denken ging, ans Planen und Reden, dann war er hilflos wie ein Fisch auf dem Trocknen. Mehr noch: Heinz Schafstett hatte Angst. Er hielt eine Pistole in der Hand, konnte mit mir anstellen, was ihm beliebte, und doch hatte er nackte Angst. Ließ sich von ein paar Widerworten einschüchtern, in seiner eigenen Wohnung.
    Und wie ging es nun weiter?
    Schafstett stand vor mir, schwitzte, dass ihm das Wasser über die Schläfen lief, doch dann kam ihm eine Idee. Der rettende Gedanke. »Hör zu, Schnüffler«, sagte er. »Ich werde jetzt telefonieren, gell. Und du bleibst brav hier sitzen, gell, keine falsche Bewegung. Ich knall dich sofort über den Haufen.«
    »Wäre schade um das Lederimitat«, murmelte ich.
    »Halts Maul!«
    Der Kerl war zum Piepen: hilflos, ratlos, ahnungslos. Was ihm Bünting wohl erzählen würde?
    Während der Boxer mit fleischigem Daumen sein Handy bearbeitete (immer abwechselnd einen Blick auf mich und auf die Tastatur), analysierte ich meine Lage. Umlegen lassen würde mich Bünting nicht. Das hätte er früher haben können. Mein Tod bedeutete eine Gefahr für ihn, denn er musste damit rechnen, dass Freunde von mir eingeweiht waren, dass sich jemand wie Marc Covet an seine Fersen heften würde. Und dann ginge das Spiel von vorne los, riskanter als je zuvor. Vielleicht ließ er mir durch Schafstett eine gehörige Abreibung verpassen, in der Hoffnung, mich so zur Raison zu bringen. Zumindest den Dicken würde es glücklich machen; endlich durfte er wieder die eigenen Hände gebrauchen ... Oder er redete ihm gut zu, beruhigte ihn, hör zu, der Typ ist ein Versager, hat keine Beweise, eine Scheibe ist schnell repariert. Das würde am ehesten zu Bünting passen: keine Wellen schlagen, die bürgerliche Fassade wahren. Dann würde mich Schafstett mit einem Fußtritt aus seiner Wohnung und aus Wieblingen hinausbefördern. Hauptsache, er ließ mir Katerinas Kette.
    Endlich hatte der Boxer Bünting am Apparat. Sie duzten sich. Schafstett berichtete atemlos, was vorgefallen war. Dazu musste er sich konzentrieren, und weil er sich konzentrierte, ließ seine Aufmerksamkeit mir gegenüber nach. Das nutzte ich aus. Rechts vor mir stand der kleine Couchtisch und darauf die Bierflasche. Mit der Spitze meines rechten Fußes zog ich behutsam ein Tischbein heran, den Blick auf den schweißgebadeten Fettklops gerichtet, der an seiner Nervosität und den Klippen der Grammatik zu verzweifeln drohte.
    Nun stand das Tischchen direkt vor mir. Schafstett hatte seinen Bericht beendet und lauschte den Anweisungen seines Chefs. Sagte nur noch Ja und Nein, nickte und schüttelte den Kopf. Seine Gesichtszüge entspannten sich zusehends. Am Ende ließ er 10 Jas hintereinander hören, garniert mit einigen ›in Ordnung‹ und ›wird gemacht‹. Dann legte er auf.
    Der Kerl, der jetzt auf mich zukam, hatte zu seiner früheren Ruhe zurückgefunden. Erleichtert ließ er sich in den Sessel plumpsen und grinste sogar ein wenig. Wie schön, wenn man einen Chef hat, der einem alle Sorgen abnimmt.
    »Also«, begann er und zeigte wieder mit der Waffe auf mich. »Er sagt, du weißt gar nix. Gell?«
    Wie zufrieden so ein »Gell« doch klingen kann. Ich fing an zu lachen. »Geht es uns jetzt

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