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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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eine lange Liste seiner Siege und Preise und Auszeichnungen, Leander nickte sprachlos, ich schaute gelangweilt aus dem Fenster, der Albino nippte an seinem Spezi. Als rührseliges Intermezzo servierte er uns die Geschichte, wie er in den 70ern Budapest besucht und alte Freunde wiedergesehen hatte, auch seine alte Mutter und einige der Parteikader, die ihn damals zur Ausreise gezwungen hatten. Heiliger Stefan, was hatten die geflucht! Inzwischen deutscher Staatsbürger, brauchte er, Balant György aus Kecskemet, sich vor nichts und niemandem mehr zu fürchten, außer vor der kommunistischen Weltherrschaft.
    »Denn der ist noch nicht besiegt, der Kommunismus«, sagte er und nickte bedeutungsschwanger. »Der ist noch nicht besiegt. Der steht auf aus seinem Grab und kommt wieder, nicht wahr?«
    Was in diesem Moment mit einem leisen Pfiff riss, war vermutlich mein Geduldsfaden. Mit einer unwirschen Handbewegung seinen Hockenheimring und alle Streckenrekorde vom Tisch fegend, sagte ich, nein, es sei absolut nicht wahr, dass der Kommunismus wiederkomme, der sei mausemausetot, da hätten Dreifelderwirtschaft und Scherbengericht mehr Zukunft als der Kommunismus, aber das nur nebenbei, eigentlich wollte ich sagen, dass ich zeitlich leider knapp dran sei, auf dem Sprung, wichtige Termine, sie verstünden, und ich würde jetzt gerne meine Frage stellen.
    Der Albino zuckte zusammen und versuchte vergeblich, sich hinter seinem Vater zu verstecken; Kurt eilte von seinem Thekenplatz herbei, um nach dem Rechten zu sehen, aber nun schwieg der Ungar wenigstens. Im Übrigen nahm er mir die Intervention nicht krumm, sondern grinste zuvorkommend. Ein freundlicher Schwätzer.
    Maria baute neue Flaschen vor uns auf. Wir schoben die leeren etwas zusammen. Der Lange mit der Nickelbrille schreckte auf, sah erschöpft auf sein Schnapsglas und schüttelte den Kopf.
    Zum zweiten Mal an diesem Nachmittag entwarf ich ein Phantombild meines Auftraggebers, diesmal nur eine grobe Skizze, denn es ging ja weniger um den Alten selbst als um seinen Wagen. Ich müsse den Mann unbedingt finden, erklärte ich, sehr viel hinge davon ab.
    »Und wir reden hier nicht von Diebstahl oder sonstigen Nebensächlichkeiten«, knurrte Tischfußball-Kurt, der hinter den beiden Ungarn stand. Er zog die Brauen zusammen und strich ganz cool mit der Spitze seines Daumens am Hals vorbei.
    »Nein«, bestätigte ich, »mit Nebensächlichem gebe ich mich grundsätzlich nicht ab.«
    Herbert hob eines seiner beiden Augenlider, sah mich kurz an und schloss es wieder.
    »Vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen?«, bat ich. »Der Mann fuhr einen auffälligen Wagen. Der einzige Anhaltspunkt, den ich habe. Ein BMW, beige lackiert.«
    »Bés?«, fragte der Ungar.
    »Hellbraun«, übersetzte Kurt beflissen.
    »Sandfarben«, verbesserte Leander.
    Ich schwieg.
    »Was für ein BMW? Welches Fabrikat? Diesel, Automatik?«
    »Wenn ich das wüsste. Ziemlich groß, ziemlich neu. So einer zum Protzen.«
    György blickte mich skeptisch an. Wahrscheinlich hielt er nicht viel von Leuten, die sich mit Autos nicht auskennen. Topermittler hin oder her.
    »Ein Automatik war es nicht«, fügte ich hinzu.
    »Nein, tut mir leid.« Er schüttelte den Kopf. »Sagt mir nichts, Ihre Beschreibung.«
    »Und du?«, wandte ich mich an den Knaben. »Hast du den BMW schon mal gesehen?«
    Keine Antwort. Mit mir wollte der nichts zu tun haben. Kuschelte sich angstvoll an seinen redseligen Vater und schielte unter den Tisch. Da hätte ich aus Coppick und Hansen mehr herausgekriegt.
    Vater Balant, der Rennfahrer aus Kecskemet, tätschelte ihm beruhigend die Wange und flüsterte ihm etwas auf Ungarisch zu. Ich denke mal, dass es Ungarisch war. Oder eine Geheimsprache, das Familienrotwelsch ausgewanderter Kommunistenhasser. Und tatsächlich: Erst schaute er sich noch furchtsam um, der Albino – nein, da ist niemand, der dich fressen will –, und dann öffnete er zum ersten Mal seinen Mund. Zwar nur, um seinem Herrn und Meister etwas Unverständliches zuzuhauchen, wahrscheinlich wieder auf Ungarisch, aber György war so freundlich, es uns zu übersetzen.
    »Mein Ferenc«, grinste er, »mein Ferenc kennt den Wagen.«
    »Ehrlich? Kein Witz? Er hat ihn schon mal gesehen?«
    »O ja, o ja.« Das Lächeln des Ungarn wurde breiter und breiter. »Nicht nur das. Er weiß auch, wo sein Besitzer wohnt, nicht wahr.«
    »Na, hab ichs dir nicht gesagt?«, rief Kurt und ließ seine Hand klatschend auf meine Schulter fahren. Ich glotzte

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