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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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doch das kommt nicht vom Bauchspeck, den er verkauft, sondern von den Schwarzwälder Kirschtorten, die sie backt. Nein, ich schweife nicht ab, ich bin beim Thema: In Waldhilsbach bin ich schon oft mit Schwarzwälder Kirschtorte begrüßt worden. Die guten Metzgerleutchen freuen sich nämlich, wenn ich vorbeischaue. Christine freut sich, wenn ich vorbeischaue. Mich freut es hingegen manchmal, wenn ich wieder fahren kann. Aber auch das klingt zu negativ. Tatsache ist vielmehr, dass ich ...
    Ich nahm den Telefonhörer in die andere Hand. Auch er fühlte sich verdammt klebrig an. Also: Tatsache ist, dass Christine unsere Trennung nicht überwunden hat. Sie hat sie herbeigeführt, aber nicht überwunden. Das ist die Wahrheit, und genau diese würde sich Christine nie eingestehen. Vielleicht ist es bloß meine Wahrheit, jenseits der es noch eine andere gibt. Möglich. Aber muss man deswegen gleich alles, was geschehen ist, ungeschehen machen wollen? Die Uhr zurückdrehen, sich in die Vergangenheit beamen? Immer wieder ihre hilflosen Versuche, mich zu etwas zu zwingen, wozu ich selbst mich nicht zwingen möchte. Das Resultat dieser Anmaßung: kompletter Rückzug meinerseits.
    Jetzt hingegen brauchte ich Christine. Ich wählte ihre dreistellige Waldhilsbacher Nummer und erwischte sie vorm Fernseher. Gestört? Ach, woher denn, überhaupt nicht, war doch nur ’ne blöde Soap.
    Ja, sie würde mir helfen. Selbstverständlich. Ja, sie würde nach dem Namen des Kraftfahrzeughalters – das war ihre Formulierung: Kraftfahrzeughalter –, nach dem Namen des BMW-Schnösels forschen. Gleich morgen früh. Die Kollegen vom Amt wären sicher behilflich.
    »Sag mal ... Morgen ist nicht übel, aber heute wäre besser.«
    »Heute? Du weißt, welchen Tag wir haben?«
    »Ein Freiberufler kennt den Begriff Wochenende nicht«, sagte ich großmäulig. »Sonntag, Montag – Arbeitstag.«
    »Sehr witzig.«
    »Nein, im Ernst: Es wäre mir wichtig. Sehr wichtig. Ich brauche den Namen heute Abend.«
    »Wie stellst du dir das vor?«, rief sie aufgebracht. »Soll ich mich jetzt vielleicht runter in die Stadt quälen, am Sonntagabend zur besten Sendezeit? Du hast sie doch nicht alle!«
    »Das mit der besten Sendezeit ist ja wohl ein Eigentor«, grinste ich. So aufgebracht war Christine schon immer am attraktivsten gewesen.
    »Ich bin verdammt froh, wenn ich mein Büro mal einen Tag nicht sehe.«
    »Du hast es gestern nicht gesehen, heute nicht, und übermorgen ist erster Mai.«
    »Na und?«
    »Tu mir den Gefallen«, bat ich. »Ich will dem Kerl heute noch unter die Augen treten. Morgen ist vielleicht alles zu spät.« Das war natürlich Nonsens, aber nach derart vielen Rückschlägen – ich betastete mein geschwollenes Auge – hatte mich das Jagdfieber gepackt.
    »Jetzt ist niemand mehr im Haus«, wandte sie ein, schon halb überredet.
    »Na, umso besser. Dann schaut dir auch niemand über die Schulter. Du kommst doch wohl an den entsprechenden Computer ran, oder?«
    »Eigentlich nicht«, sagte sie zögernd und seufzte. Ein verklausuliertes Ja.
    »Eigentlich?«
    »Das Passwort ...«
    »Sag bloß, das kennst du nicht?«
    »Doch. Manfred hat es mir gesagt. Mein Chef.«
    »Und?«
    »Offiziell darf ich nicht und will auch nicht.« Sie wand sich, überlegte. »Ich könnte ... Wenn Manfred da wäre ...« Ein letztes Aufbäumen: »Dir ist schon klar, dass ich dafür riesigen Ärger bekommen kann?«
    »Ich weiß«, sagte ich sanft. »Riesigen Ärger. Aber tu es mir zuliebe, ja?«
    Das war das letzte Druckmittel, und mit ihm war die Schlacht gewonnen. Max zuliebe ... Sie seufzte noch einmal langanhaltend, murmelte etwas Abfälliges über Männer (und Ehemänner und Exehemänner) und versprach, so bald wie möglich zurückzurufen.
    Ich gab ihr die Nummer der Kneipe und drückte die Gabel einmal nieder.
    Während ich Fattys Nummer wählte, versuchte ich mich über den klebrigen Telefonhörer zu ärgern; ein kleines Ablenkungsmanöver, um aufkommendem Mitleid mit meiner Exfrau nicht allzu viel Raum zu geben. Warum ließ sie sich auch immer wieder von einem Windhund wie mir herumkriegen? Arme Christine. Sie hatte nicht einmal gefragt, wozu ich den Namen brauchte.
    Auf eine Antwort meines dicken Freundes musste ich lange warten. Es klingelte und klingelte. Keine Reaktion. Vielleicht war er einer Überdosis Cola light zum Opfer gefallen. Maria kam aus der Gaststube hereingeschlurft, lächelte mir zu und warf einige Kilo Kartoffelschnitze in die Friteuse. Es

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