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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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den Albino verblüfft an.
    »Und? Wo? Adresse?«
    »Er weiß die Straße. Oberer Auweg. Da hat er den BMW schon oft gesehen, nicht wahr.«
    Fantastisch. Der Junge war unbezahlbar. Vorausgesetzt, er band mir keinen Bären auf. Aber wieso sollte er?
    »Vielleicht kennt er auch den Namen des Besitzers?«, hakte ich nach.
    Der Vater sah seinen Sohn fragend an. Der schüttelte so heftig den Kopf, dass ihm fast das Brillenungetüm von der Nase fiel. »Nein«, übersetzte György beflissen. »Den kennt er nicht.«
    Danke, das hatte ich schon kapiert. War ja auch egal; meinen Mann würde ich jetzt finden. Fatty und Marc hatten beide recht gehabt. Der Obere Auweg war eine kleine, steile Seitenabzweigung von der Bergstraße, die zu höher gelegenen Villen führte. Nicht, dass ich einen der dortigen Anrainer kennen würde. Aber es war die perfekte Wohngegend für Kaschmirträger und BMW-Fahrer, das wusste ich: horrende Mieten, splendide Fernblicke, Sonnenterrassen, Abgeschiedenheit, Frischluft. Ich nickte dem Jungen anerkennend zu.
    »Alle Achtung, Franz. Hör mal, du hast mir sehr geholfen. Wenn du noch einen zur Brust nehmen willst oder dein Vater – geht auf mich, ist doch klar.«
    »Nein, nein«, sagte Schorsch, »Ferenc nicht. Zu viel Spezi ist ungesund, nicht wahr? Ich nehme ein Bier für ihn.«
    Bevor ich eine Runde ordern konnte, drehte der Knabe den Kopf zur Seite und flüsterte seinem Vater eine neue Botschaft ins Ohr. Der Alte strahlte noch breiter als vorher, nickte glücklich und machte mit stolz geschwellter Brust den Herold: »Mein Ferenc«, verkündete er und blickte erwartungsvoll in die Runde.
    »Ja?«
    »Mein Ferenc hat mir soeben das Kennzeichen des Autos genannt. Das hat er sich gemerkt.«
    »Was?«, rief ich verdattert. »Das kann doch nicht wahr sein!«
    »O ja, o ja. Das Autokennzeichen. HD-NC 80. Falls Sie bitte notieren wollen.«

13
    Die Jagd konnte beginnen. Endlich! Ich schnappte mir Marias altes Telefon, das von einer fettigen Staubschicht überzogen auf der Theke schlummerte, und eilte damit in die Küche. Vom Stammtisch warfen sie mir misstrauische Blicke hinterher, als ich die Tür hinter mir zuzog und das Telefonkabel einquetschte. Ja, da schauten sie, die Neuenheimer! Max Koller war wieder im Geschäft.
    Ich machte es mir auf einem dreibeinigen Holzhocker neben der Spüle bequem und begann zu wählen. Als Erstes, ich tat es mit schlechtem Gewissen, rief ich Christine an. Es mag nicht eben von Feingefühl zeugen, sich nur dann bei seiner Exfrau zu melden, wenn man ihre Hilfe benötigt. Andererseits ist doch gerade das der Sinn und Zweck einer Freundschaft: einem in Notsituationen Unterstützung zu bieten, hilfreich zur Seite zu stehen. Ja, ich habe Freundschaft gesagt. Mit voller Absicht. Denn genau in dieser Beziehung stehe ich zu Christine: Sie ist ein Freund, ein Kumpel, ein Kamerad – nicht mehr und nicht weniger, da kann sie sich auf den Kopf stellen. Schön nüchtern bleiben und die Dinge beim Namen nennen. Bitte keine Sentimentalitäten, kein Gefasel von Nähe, die nicht existiert. Diese Emotionskiste zwischen uns, das war einmal, ich möchte nicht daran erinnert werden. Dann lieber auf Distanz gehen und eine hanseatisch geschäftliche Beziehung pflegen. Damit fahre ich hervorragend.
    Leider sieht Christine das etwas anders. In regelmäßigen Abständen fängt sie wieder an mit der alten Leier: dass ich ihr angeblich noch viel bedeute, dass wir es noch einmal versuchen könnten, sie mit mir, ich mit ihr, ganz anders natürlich als früher, abgeklärter, reifer. Tut mir leid, aber mich macht dieses lauwarme Geschwätz aggressiv. Es regt mich auf. Vorbei ist vorbei.
    Nun, das klingt vermutlich negativer, als es in Wahrheit ist. Von außen betrachtet, haben wir uns leidlich arrangiert; haben einen Modus vivendi gefunden, würde Leander sagen, sofern ihm der Begriff in endlicher Zeit einfiele. Ab und zu besuche ich meine Ex hinten in Waldhilsbach, wo sie zur Untermiete bei einem älteren Metzgerehepaar wohnt. Das heißt, Metzger ist nur der Mann, doch den ideologischen Überbau zu seinem altehrwürdigen Handwerk liefert sie, die Hausfrau: singt in Zeiten des grassierenden Vegetarismus das Hohelied auf die letzten Fleischermeister dieses Landes, während es ihrem Mann im Rückblick wohl ziemlich schnuppe ist, ob er sein Leben lang Schweinehälften gespaltet hat oder Kartoffeln geerntet oder Zahnstocher gespitzt. Beide haben sie Herzprobleme, Bluthochdruck und Schwimmringe um die Hüften,

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