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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Pärchen zahlte, der Dicke war verschwunden. Lediglich die Penner kloppten unbeirrt weiter Skat. Ich tätschelte dem verschreckten Albino gönnerhaft die Schulter, nickte seinem Rennfahrervater zu und verabschiedete mich von Herbert, Kurt und Leander. Coppick und Hansen schliefen selig.
     
     
     

14
    Ich pfiff leise vor mich hin. Alle Achtung, was für ein Haus!
    Da lebt man nun schon so lange in dieser Stadt ... und dann das. Ein Luxusobjekt in Luxuslage, von einem Luxusgarten umgeben. Ein Gegenstand allgemeinen Interesses, da jeder Heidelberger von einer solchen Villa träumte – und doch der Öffentlichkeit entzogen, denn niemals würde dieses Gebäude im Immobilienteil der Neckar-Nachrichten auftauchen. Solche Häuser wurden nicht verkauft und schon gar nicht von einem Makler mit Kurpfälzer Akzent, sie wurden vererbt oder verschenkt oder einer Stiftung vermacht, wenn es der Steuerberater empfahl. Solche Häuser existierten im Grunde nicht. Sie standen abseits der Straßen, abseits des Touristenverkehrs, kein Wanderweg führte in ihrem Rücken vorbei, Mauern schirmten sie ab. Für die Denkmalpflege waren sie zu jung, auf dem Stadtplan verbargen sie sich hinter einem roten Viereck wie andere Häuser auch. Obwohl ich nun schon ein Jahrzehnt in Neuenheim lebte und oft mit dem Fahrrad unterwegs war, hatte ich den Oberen Auweg noch nie betreten. Damit befand ich mich vermutlich in bester Gesellschaft, denn wer außer den Anwohnern hätte einen Grund, diese steile Sackgasse hinaufzufahren? Niemand, der nicht in eine der Villen, die nach oben hin immer eleganter wurden, eingeladen war.
    Wie beschrieb man das Gebäude? Von außen betrachtet, war es ein weiß gestrichener Würfel, dessen oberes Drittel – das zweite Stockwerk – ein wenig zurückgesetzt war. Alle drei Etagen hatten mannshohe Fenster, und von diesen Fenstern schaute man auf einen dichten Bestand an Laubbäumen, deren Wipfel so gestutzt waren, dass sie den Rundblick in die Weite der Rheinebene gestatteten. Ein graues Zinkdach mit halbrunden Gauben, das ganze Haus eingebettet in eine steile Hanglage, die sich in mehrere bunt bewachsene Stufen gliederte. Vor meinem geistigen Auge sah ich ein Heer von Dienstleistern, Leibeigene der Neuzeit, wie sie das Grundstück in den frühen Morgenstunden auf Vordermann brachten. Bloß die Herrschaft nicht stören! Der Rasen wirkte gepflegter als Marc Covets Fingernägel, und die waren ein Meisterstück der Maniküre. Ob der Gärtner zu Fortbildungsveranstaltungen nach Wimbledon flog? Die helle Fassade lachte einen gewinnend an, die Lampen blitzten, und alleine die Vorstellung, wie der Kies der Auffahrt unter Rädern und Schuhsohlen knirschte, bereitete Vergnügen.
    Ich stand hinter hohen Gitterstäben, die das Gelände umgaben, und lachte grimmig in mich hinein. Das also war er, der Fuchsbau des Alten, genauso exklusiv wie der Mann selbst und genauso falsch. Eine abweisende, abgeschottete Residenz, imponierend in ihrer Perfektion, aber bewohnt von einem windigen Geldsack, der anderen Leuten die Augen verätzte und sich ihr Schweigen zu erkaufen versuchte. Welten trennten diesen Architektentraum von den protzigen Ritterburgimitaten auf der anderen Neckarseite, und doch war sein Besitzer nur ein mieser Geschäftemacher.
    Im Übrigen stimmte das mit der perfekten Fassade des Hauses auch nicht. Es gab nämlich sehr wohl einen baulichen Missgriff: den Eingang zur Villa. Vor die Haustür hatte man ein überdachtes Portal gesetzt, das von vier weißen ionischen Säulen getragen wurde. Ob der Architekt seine humanistische Halbbildung dokumentieren wollte? Oder hatte der Erbauer auf einem antiken Feigenblatt bestanden? Mich erinnerte die stille Einfalt dieses Griechenportals jedenfalls an einen Historienschinken in Technicolor. Little Paestum in Neuenheim – scheußlich.
    Und das Innere der Villa? Man konnte es sich leicht ausmalen, brauchte nur seine Fantasie ein wenig spielen zu lassen: eine kühle Eingangshalle, spiegelblankes Parkett, handgeknüpfte afghanische Läufer, links ein schwarz lackierter Flügel, rechts Vasen der Ming- oder Ding-Dynastie. Vielleicht auch hier ein Ausflug ins Hellenistische: ein Diskuswerfer in Gips; bemalte Krater, von bläulichen Spots illuminiert ...
    Neid, Max Koller? Natürlich war ich neidisch. Grenzenlos neidisch. Schließlich war das der Hauptzweck des ganzen Arrangements: die Außenstehenden neidisch zu machen, und bei mir funktionierte es perfekt. Was hatte ich diesem Villenbesitzer

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