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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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wollten sie zurück. Überlegen Sie mal: ein Land, das sich heute rühmt, Vorreiter der Globalisierung zu sein!«
    »Wie hoch war die Strafe?«
    Er blickte düster auf seine Schuhspitzen. »18 Millionen Dollar.«
    Mir blieb der Mund offen stehen. »18 ...?«
    Pause. Vor meinen Augen regneten säckeweise grüne Dollarnoten von der Decke.
    »18 Millionen Dollar ... Unglaublich. Wie hat das die Firma verkraftet?«
    »Wie wohl? Gar nicht. Stellenabbau, lean management, Kreditaufnahme. Daran knabbern wir heute noch.«
    »Und Bünting?«
    »Stand im Kreuzfeuer der Kritik. Sicher, er war einer der Hauptverantwortlichen, er hatte die Preispolitik des verstorbenen Herrn Meyer fortgeführt – aber nicht er alleine. Trotzdem wurde ihm eine Hauptschuld an dem Desaster angelastet. Wobei ich mich frage, Herr Koller: Wie soll man Otto Normalverbraucher«, er lehnte sich nach vorne und beschrieb mit dem rechten Arm einen großen, die ganze Menschheit umfassenden Bogen, »wie soll man dem Mann auf der Straße das Wesen der Marktwirtschaft verständlich machen, wenn hier mit staatlicher Willkür das freie Spiel der Kräfte unterbunden wird? Wie soll das funktionieren?«
    »Keine Ahnung.«
    »Sehen Sie. Denn es war staatliche Willkür, kein Zweifel. Hinter dem Anwalt, der die Klage eingereicht hatte, standen Interessensverbände und hinter diesen die amerikanische Pharmabranche und das Weiße Haus. So läuft es in den Staaten, in der Heimat von John Smith! Bei uns im Werk lästern sie heute noch über die Koalition von Amis und Schlitzaugen.« Er wandte den Kopf ab und sah aus dem Fenster.
    »... Amis und Schlitzaugen«, notierte ich grinsend. Das hätte ich besser nicht getan.
    Denn der gute Herr Knöterich schien mit einem Mal zu Eis zu erstarren. Ohne den Blick vom Fenster zu wenden, sagte er leise, aber deutlich: »Ich hasse Amerika.« Dann drehte er sich ruckartig um, sah mich kalt an und fügte hinzu: »Aber das werden Sie nicht schreiben.«
    »Nein, nein, keine Angst«, beruhigte ich ihn, doch es war vorbei. Der Pressesprecher verhielt sich von dieser Sekunde an sehr reserviert und sehr korrekt; die Spitzen seines gegelten Haares standen stramm, seine Miene war abweisend. Meine Fragen beantwortete er einsilbig und von oben herab. So viel zur Sorbinsäurenaffäre. Mehr sei nicht zu sagen; man habe das Urteil akzeptiert, fertig. Herr Bünting habe sich bald darauf aus der Firma zurückgezogen. Eine Interpretation der Geschehnisse stehe ihm als Pressesprecher der DACH nicht zu.
    Und Büntings Familie?
    Bedaure. Über Herrn Büntings Privatleben wisse er nichts. Er kenne den Mann nur als Mitglied der DACH. Selbst auf meine Fragen nach Büntings derzeitigem Betätigungsfeld bekam ich nur vage Antworten: er berate, er knüpfe Kontakte, er vermittle, er repräsentiere. Werfe seine enorme berufliche Erfahrung in die Waagschale. Das Verhältnis zu den beiden Meyers, zu Cajetan und Caspar junior, war offensichtlich nicht schlecht, wenn auch weniger innig als zu deren Vater. Nun gut.
    Fürs Erste hatte ich genug erfahren. Wir schmierten uns zum Abschied ein paar Höflichkeiten um die Backen, ich versprach dem Schönling eine Kopie des Artikels und entschwand. Das Vorzimmerhuhn brachte mich gackernd zum Aufzug.

18
    Ich und aufgeben? So schnell wurde mich der Alte vom Oberen Auweg nicht los. Dachte er wirklich, ich würde brav meine Schnüffelnase in einen Schmöker stecken und den lieben Gott – oder den lieben Herrn Bünting – einen braven Mann sein lassen? Vermutlich war ihm klar, dass das eine Illusion war, und spielte auf Zeit. Er war längst nicht so souverän, wie er tat. Außerdem beging er einen entscheidenden Fehler, wenn er dauernd mit seinen Geldpaketen wedelte. Sollten Sie in nächster Zeit knapp bei Kasse sein, Herr Koller ... Nun, Herr Koller hatte absolut nichts gegen eine großzügige Entlohnung einzuwenden, aber diese ständigen Honorarerhöhungen für mein Schweigen, für mein Vergessen – das weckte meine Neugier. Und schürte meinen Verdacht gegenüber dem Silberrücken. Der alte Schauspieler trug zu dick auf.
    Davon abgesehen: Selbst Herr Koller besaß eine Art Berufsehre – das musste doch mal gesagt werden –, und er besaß ein blaues Auge. Letzteres hatte Bünting übrigens mit keinem Wort erwähnt. Hielt es vielleicht für ein Resultat seiner Sprühattacke.
    Während hinter mir die Tür zu seinem Arbeitszimmer ins Schloss fiel, plante ich schon die nächsten Schritte. Als Erstes galt es, meinen aktuellen

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