Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
jedenfalls möchte unbehelligt bleiben, und von Ihnen denke ich dasselbe.«
    Das Telefon klingelte erneut. Er scherte sich nicht darum.
    »Drittens: Sie genießen die zusätzliche Freizeit, die Sie durch den Tod dieses Menschen erworben haben, und falls Sie in nächster Zeit knapp bei Kasse sein sollten, melden Sie sich. Ich bin bereit, Ihnen ein weiteres Mal unter die Arme zu greifen. Ansonsten möchte ich Sie nie wieder sehen. Verstanden?«
    Ich antwortete nicht. Die Vorstellung, mir von Bünting unter die Arme greifen zu lassen, fand ich einigermaßen unappetitlich. Das Telefon klingelte weiter.
    »Und falls doch, Herr Koller ...« Er legte den Kopf ein wenig zur Seite, gar nicht viel, nur ein ganz kleines bisschen. »Falls doch, möchte ich Sie bitten, nicht mehr so penetrant nach billigem Fritieröl zu riechen.« Er hob den Hörer ab, bellte ein: »Ja?« hinein, gefolgt von einem ungeduldigen: »Dann stell ihn halt durch, in Gottes Namen!«
    Ich erhob mich. Bünting schnippte mit den Fingern und bedeutete mir sitzenzubleiben. Fritieröl ... dieser alte Sack! Er war es, der in Fritieröl ertränkt gehörte. Und von Maria eigenhändig durch die Friteuse gerührt. Ich kickte den Sessel gegen den schweren Schreibtisch und wandte Bünting den Rücken zu.
    »Moment mal, Arndt ... Herr Koller!«, hörte ich ihn hinter mir rufen, aber ich kümmerte mich nicht darum, schritt hinaus und schmiss die Tür mit solcher Wucht in die Angeln, dass die Villa erbebte.
     
     

17
    Eine Tür flog auf, und in der Öffnung stand ein schöner junger Mann. Sein Name war weniger schön, aber für den konnte er nichts: Knöterich. So stand es auf einem Schildchen an der Wand: Herr Benno Knöterich M. A., Pressesprecher der Darmstädter Chemiebetriebe. Der Schönling war Anfang 30, schlank und bester Laune. Was ihm die Natur an dunkler Haarpracht mitgegeben hatte, hatte er auf halbe Daumenlänge gebracht und mit viel Gel gen Himmel gerichtet. Leider hatte dieselbe Natur vergessen, Herrn Knöterich mit einem Kinn auszustatten. Oben Gel, unten nichts. Seine Ohren waren kleine Marzipanschnecken, und auf seinem breiten Nasenrücken ruhte eine braune Hornbrille. Die Tönung seines Gesichts ließ auf eine Zweitwohnung in der Karibik schließen oder wenigstens an der Costa Dorada. Vielleicht auch nur auf eine Dauerkarte für ein Sonnenstudio im Darmstädter Westen.
    »Herr Koller.«
    »Herr Knöterich.«
    Pfötchengeben. Wegen seiner Brille, die intellektuelle Überlegenheit signalisierte, entschloss ich mich spontan, einen auf harmlosen Trottel zu machen. Das würde dem Herrn Pressesprecher gefallen. Umständlich bedankte ich mich für seine Einwilligung zu einem Gespräch, setzte ein leutseliges Lächeln auf, stolperte über Gemeinplätze, bis er mich wie Clinton sanft am Unterarm packte und ins Zimmer lotste. Seine Sekretärin, ein nervöses Huhn, mindestens doppelt so alt wie er, blickte uns finster nach. Drinnen bot er mir einen Sessel an, in dem eine Großfamilie hätte übernachten können. Er setzte sich mir gegenüber, schlug die Beine übereinander und rückte seine Armbanduhr zurecht.
    »Ach so, übrigens ...«, begann ich, als sei es mir eben erst eingefallen, »ich wollte mich noch bedanken, dass Sie Ihr Einverständnis ...«
    »Von den Neckar-Nachrichten kommen Sie?«, unterbrach er mich.
    »Ich schreibe für den Lokalteil. Sehen Sie, es geht da um eine Serie von Porträts bekannter Persönlichkeiten. Menschen aus dem Heidelberger Raum, von Boris Becker bis Paul Kirchhof. Politiker, Künstler, Unternehmer.«
    »Verstehe.«
    » Große Köpfe unserer Heimat «, sagte ich und versuchte, wichtig auszusehen. »So heißt die Serie. Groß im Sinne von, verstehen Sie, nicht groß wie ... also nicht körperlich groß.«
    Er schmunzelte. Es war kein ermutigendes Schmunzeln, trotzdem gefiel es mir. Knöterich würde mich von nun an wie den Redakteur einer Schülerzeitung behandeln.
    »Und jetzt möchten Sie Herrn Bünting porträtieren?«
    »Genau. Mein Chef hatte die Idee. Wenn dem einfällt, wir sollten mal wieder was in der Große-Köpfe -Reihe bringen, dann zitiert er mich zu sich, macht Druck, und am nächsten Tag muss der Artikel auf dem Tisch liegen. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen ...«
    Knöterich lächelte höflich und betrachtete seine Fingernägel.
    »Wie auch immer, jedenfalls ...«
    »Aber morgen ist doch Feiertag«, warf er ein, ohne den Blick zu heben.
    »Okay, ich habe leicht übertrieben. Am Mittwoch soll der Beitrag

Weitere Kostenlose Bücher