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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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mir. Und das ist dann auch keine Erpressung, selbst wenn Sie ihm mit sofortiger Abreise drohen. Es ist Ihr gutes Recht.«
    »Meinen Sie?«
    »Aber ganz bestimmt. Lassen Sie es uns tun, beide. Bünting muss lernen, dass es außer ihm noch andere Menschen auf diesem Planeten gibt. Und dass die ebenfalls Bedürfnisse haben. Ein wenig Aufmüpfigkeit kann da nicht schaden.«
    »Auf ... aufmüpfig?«
    »Aufmüpfigkeit. Widerstand, Opposition ...« Ich trank meine Tasse aus. »Aber keine Erpressung, alles klar?«
    Sie nickte und spielte gedankenverloren mit ihrer Halskette, einer goldenen Kette mit einer kleinen Sonne daran. Die Kirschtorte war verschwunden, verputzt, vernichtet. Kein Krümelchen mehr zu sehen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie den Teller abgeleckt hätte. Ukrainischer Appetit, dachte ich und hoffte inständig, dass sie kein drittes Stück Kuchen bestellen würde. Von den 5000 Euro, die ich am Freitagabend verdient hatte, war nichts übrig geblieben. Es hatte nicht einmal gereicht, um meine Schulden bei Fatty zu begleichen.
    »Gut«, nahm ich einen neuen Anlauf. »Nachdem wir das geklärt hätten, würde ich gerne auf den letzten Freitag zurückkommen. Heute vor vier Tagen. Versuchen Sie sich bitte zu erinnern: Gab es da einen ungewöhnlichen Vorfall im Haus? Hatte Herr Bünting vielleicht Besuch, hat er ein wichtiges Telefonat geführt oder gezeigt, dass ihn etwas beunruhigt?«
    Immer noch mit ihrer Halskette spielend, sah sie mich unverwandt an. Ihre Augen waren tatsächlich grün, da hatte Fatty recht. Katzenaugen, meinetwegen. Wenn Fatty gesehen hätte, wie sich diese Katze mit Sahne vollstopfte ...
    »Verstehen Sie meine Frage nicht?«, erkundigte ich mich, als ich ihren Blick nicht mehr aushielt.
    »Ich überlege«, sagte sie ernst.
    Aha. Sie überlegte. Ich lächelte ein wenig gequält.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie schließlich. »Sie haben mich das alles schon vorgestern gefragt. Ich habe überlegt ... viel überlegt ... aber mir ist nichts eingefallen.«
    »Das heißt, alles war wie immer? Keine besonderen Ereignisse?«
    »Nein.«
    »War Arndt am Freitag bei seinem Großvater?«
    Sie zögerte. »Am Tag nicht.«
    »Aber in der Nacht?«
    »Er muss Freitagnacht gekommen sein. Am Samstag habe ich ihn gesehen. Und seitdem schläft er jede Nacht bei uns. Das macht er sonst nicht.«
    »Also seit diesem Freitag?«
    Nachdenklich leckte sie sich über die Lippen. »Seit Donnerstag. Sonst übernachtet er bei seinen ... Kollegen.«
    »Den Kollegen.« Ich nickte. »Kennen Sie diese Kollegen? Schon mal gesehen?«
    »Ein paar von ihnen. Sie haben Arndt einmal besucht, aber nur kurz. Nette Jungs.«
    Ich nickte wieder. »Sehr nette Jungs. Also, Arndt wohnt normalerweise nicht bei seinem Großvater?«
    »Nein. Selten. Ich mache immer das Zimmer für ihn, aber es ist nie viel Arbeit. Er benutzt es nicht oft.« Sie lächelte die Bedienung an, die das Kuchengeschirr abräumte. »Noch einen Cappuccino bitte. Mit viel Sahne.«
    »Der ist ganz gut hier, der Kaffee«, sagte ich, um auch etwas gesagt zu haben.
    »Schöne Kneipe«, nickte sie. »Sagen Sie, sind 500 Euro wirklich zu wenig für meine Arbeit?«
    »Wie viele freie Tage haben Sie pro Woche?«
    »Freie Tage? Ich muss doch arbeiten.«
    »Kein freier Abend? Nichts?«
    »Montagabend«, sagte sie stolz. »Kinotag. Karten zum halben Preis. Trotzdem teuer.«
    »Unter diesen Bedingungen würde kein Deutscher arbeiten. Unbezahlbar das Ganze. Verlangen Sie das Fünffache. Oder Vierfache, wenn Kost und Logis frei sind. Für Bünting immer noch Peanuts.«
    »Peanuts?«
    »Erdnüsse. Kommen wir zurück zum Freitag. Mich würde der gesamte Tagesablauf interessieren. Was geschah nach dem Frühstück?«
    Sie sah mich befremdet an. »Was soll da passiert sein? Nach dem Frühstück mache ich Hausarbeiten. Unterschiedlich. Muss putzen oder waschen oder Essen vorbereiten. Und ich muss mich um Frau Bünting kümmern.«
    »Waren Sie die ganze Zeit zu Hause?«
    Sie dachte kurz nach. »Nein, ich ging einkaufen. Zu Fuß. Kurz vor Mittag.«
    »Und rechtzeitig zum Mittagessen waren Sie zurück?«
    »Natürlich.« Sie bekam ihren Kaffee und wiederholte die Prozedur von vorhin: der Zeigefinger, die Sahne, der selige Ausdruck in ihrem Gesicht ...
    »Ich kann mir denken, dass Ihnen meine Fragen ...«, begann ich, doch sie unterbrach mich.
    »Wenn Sie wissen wollen, wie es weiterging: Den Rest des Tages blieb ich im Haus. Herr Bünting nimmt immer nur ein kleines Mittagessen zu sich.

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