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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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keine, seit wir uns trennten.«
    Ich zuckte die Achseln und schenkte mir neu ein.
    »Hast du denn schon mal dran gedacht ...« Sie hielt inne. Na, ich war ja gespannt, was jetzt folgte. Christines gute Ratschlä­ge sind berüchtigt.
    »Hast du schon mal dran gedacht, dass du schwul sein könntest?«
    »Ich? Schwul?« Nun wurde ich wirklich sauer. Ich griff nach meiner Serviette und wischte mir heftig den Mund ab. Was bildete sich diese Frau eigentlich ein? Mein Gott, mir wäre es piepegal, schwul zu sein, bitte schön, aber ich bins nun mal nicht. Und ich lasse es mir nicht einfach so einreden, schon gar nicht von meiner Ex. Die Tatsache, dass ich seit Jahr und Tag nichts mit Frauen hatte, heißt noch lange nicht, dass mir Männer gefallen müssten. Sie lassen mich alle kalt, Männlein wie Weiblein. Liegt es automatisch an mir, dass der Funken nicht zündet? In Wahrheit kam Christine nicht darüber hinweg, dass sie es immer weniger geschafft hatte, in mir den Mann zu wecken – so hatte sie es einmal formuliert. Eine saublöde Formulierung, nebenbei gesagt. Na und? Vielleicht hatte das sogar sein Gutes. Wir waren fünf Jahre zusammen, davon dreieinhalb verheiratet, und wenn gewisse äußere Zeichen darauf hindeuten, dass auch der Kitt im Innern brüchig geworden ist, dann rät einem die Vernunft, diese Zeichen ernst zu nehmen. Im Nachhinein gibt es keinen Grund, sich deswegen zu grämen. Ich bin damit zufrieden, und sie sollte es auch sein, denn wenn sie, Christine, meine Frigidität – auch eine ihrer saublöden Formulierungen – nicht hatte beenden können, dann würde es niemandem auf dieser Erde gelingen. Dass sie es nicht geschafft hat, bereitet ihr Kummer; mir nicht.
    Nur aus diesem albernen Grund hatte sie die sportliche Leistungsfähigkeit ihres Harald betont, genau wie zuletzt die Vitalität ihres Matthias, eines blonden Zweimetermannes, wie vorher die körperliche Präsenz ihres Andy, eines muskulösen Programmierers, oder wie ganz früher die Kondition ihres Chefs und ersten Liebhabers nach mir. Der hieß nämlich auch Harald. Mit diesen straffen, potenten Männern wollte sie erstens nachholen, was sie bei mir versäumt hatte, und zweitens mir dieses Versäumnis immer wieder vor Augen halten. Denn eines war klar: Von Liebe konnte bei diesen Dreimonatsaffären keine Rede sein. Aber auch nicht die geringste.
    »Ich meine ja nur«, sagte sie hilflos. »Entweder, es lag an mir ...«
    Ich verdrehte die Augen.
    » ...oder du bist grundsätzlich nicht an Frauen interessiert.«
    »Genau«, sagte ich scharf. »Grundsätzlich. Grundsätzlich nicht interessiert. Weder noch. Männer, Frauen, Kinder, Hunde. Keine Pin-up-Girls, keine Schaufensterpuppen. Keine Tennisspielerinnen, keine Californian Dream Boys. Punkt. Aus. Basta. Ich danke für alle Ratschläge und Bekehrungsversuche, aber ich habe sie nicht nötig. Ich lebe ganz gut so.«
    Sie schwieg.
    »Im Übrigen«, fuhr ich fort, wo ich doch schon mal am Klarstellen war, »macht es mir nichts aus, wenn du dich bei deinem Harald ersatzbefriedigst. Im Gegenteil, ich gönne es dir, wirklich. Ich hoffe nur, er meint es wenigstens ein bisschen ernst.«
    Sie sah mich an und zuckte mit den Achseln. Schweigend rauchte sie zu Ende; dann sagte sie: »Lass uns zahlen und woanders hingehen. Trinken wir noch was in einer Kneipe und reden über andere Sachen.«
    Ich nickte und rief den Kellner herbei.
    Sie beglich die Rechnung, und ich war verdammt froh darüber. Um die Ecke gab es eine Spelunke, bei der ich anschreiben ließ; da konnte ich ihr einen Whisky spendieren.
    Vor der Tür blieb sie stehen und schüttelte ein paar widerspenstige Haare aus der Stirn. »Er ist verheiratet. Will seine Familie natürlich nicht im Stich lassen, das Arschloch.«
    Ich legte meinen Arm um sie. In ihren Augen glänzte es verdächtig.
    »Blöder Wichser.«
    Ob sie immer noch ihn meinte?
     

28
    Natürlich, die Geschmäcker sind verschieden, das betrifft Okraschoten genauso wie Autos. Oder Frauen. Abgesehen von meinen persönlichen Eigenheiten gegenüber dem anderen Geschlecht – nur Idioten würden von einem »Problem« sprechen –, würde es mir nicht im Traum einfallen, diese ukrainische Dolmetscherin so anzuhimmeln, wie mein Kumpel Fatty es tat. Angenommen, dieser Schlankheitswahn auf zwei Beinen stellte tatsächlich das Maß aller Dinge dar: Wo siedelten dann gemütliche Tönnchen wie Fatty an? Welche Existenzberechtigung besaßen sie? Nein, das ästhetische Gestammel meines Freundes war

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