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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Verkehrsunfall. In den Alpen. Seine zweite Frau dagegen ...«
    »Dieser Unfall«, unterbrach ich. »Ein gutes Stichwort. Ist es denn sicher, dass es sich um einen Unfall handelte? Kamen niemals Gerüchte auf, es könnte etwas faul an der Sache sein?«
    »Wie bitte? Faul? Wie kommst du denn darauf?«
    »Nur so ein Gedanke. Immerhin fanden sich keine Zeugen; niemand hat gesehen, ob das Motorrad wegen überhöhter Geschwindigkeit von der Straße abkam oder ob es eine andere Ursache dafür gab.«
    »Dann weißt du wieder mal mehr als ich«, knurrte er. »Wer sollte denn ein Interesse an dem Tod dieses Jungen haben?«
    »Keine Ahnung. Ich möchte nur nichts ausschließen.«
    »Also, außer der Unfall-Version ist mir nichts bekannt. Keine derartige Verschwörungstheorie.«
    »Na, gut.« Ich nippte an meinem Whisky. Er war alles andere als mild, und seine Blume erinnerte mich an Räucherspeck. Lagavulin stand auf dem Etikett. »Und die zweite Frau?«
    »Frau Nummer zwei stammt aus einer alteingesessenen Familie. Die Matterns haben Geld wie Heu, sind traditionell im Bankgeschäft tätig und legen Wert auf ihr von. Über Büntings Frau Isolde allerdings gibt es seit einem Vierteljahrhundert keine nennenswerten Informationen, denn so lange ist sie schon krank. Diagnose: Fragezeichen. Ich habe mich bei einer älteren Kollegin vom Feuilleton erkundigt, die konnte mir auch nichts Näheres sagen. Nur, dass sich der Zustand der Frau schleichend verschlechterte, Monat um Monat, und sie immer autistischer wurde. Erst hat sie nichts mehr interessiert, dann hat sie nicht mehr gesprochen, das Haus nicht mehr verlassen ... mit einem Wort: Sie hat sich komplett abgekapselt. Bis sie in den Zustand verfiel, in dem du sie angetroffen hast.«
    »25 Jahre schon? Da war ich ein Pimpf im Gymnasium, als das bei der begann.«
    Marc sah mich skeptisch an; eine sarkastische Bemerkung lag ihm auf der Zunge.
    »Trotzdem«, sprach ich weiter, »ich kapiere es nicht. Diese Frau ist behindert, und zwar körperlich behindert. Meiner Meinung nach. Die hat in meinem Beisein nicht mal die Augenbraue gehoben. Was hat das mit Autismus zu tun?«
    Marc hob abwehrend die Hände. »Frag mich nicht. Ich gebe nur wieder. Die Schröder, meine Kollegin, behauptet nicht, dass die Mattern eine Autistin ist, sondern dass sie wie eine wirkt. Eine autistische Veranlagung hätten die Ärzte ja wohl festgestellt.«
    »Mit anderen Worten: Nichts Genaues weiß man nicht.«
    »Exakt.«
    Ich ließ den Whisky im Glas kreisen. »Und seither ist ihr Zustand unverändert?«
    »Anscheinend. Sie ist über ihre Krankheit in Vergessenheit geraten. Die Schröder war ganz überrascht, nach ihr gefragt zu werden. Sie hatte jahrzehntelang nichts mehr von ihr gehört, wusste gar nicht, dass sie noch lebt.«
    »Eine lebende Leiche«, nickte ich.
    »Wenn du damit die gute Frau Schröder meinst, ist das ein etwas zu hartes Urteil«, sagte Marc, ohne die Miene zu verziehen.
    »Sonst noch was?«
    »Ich fange gerade erst an ... Interessiert dich zum Beispiel Büntings tränenreicher Abschied aus Darmstadt?«
    »Brennend.«
    »Er war schon fast 70. Trotzdem verließ er die Firma nicht freiwillig. Er wurde gegangen.« Marc machte eine Pause, um seinen Worten nachzuhorchen. »Die Meyers hatten nämlich überhöhte Preise für ihre Chemikalien verlangt und wurden dafür abgestraft. Von einem amerikanischen Gericht zwar, aber das tat nicht weniger weh. Und nun rate mal, wie hoch die Geldstrafe war.«
    »Wie hoch wird die ...«, murmelte ich achselzuckend. »Vielleicht 18 Millionen Dollar?«
    »Depp«, schimpfte er nach einer Überrumpelungssekunde. »Wenn du das auch schon weißt, warum rede ich mir dann den Mund fusselig? Ich sage jetzt gar nichts mehr. Und den Whisky schüttest du gefälligst in die Flasche zurück.«
    »Selber Depp. Was dachtest du denn? Dass ich den ganzen Tag auf der faulen Haut liege und auf deinen Anruf warte? Bin persönlich nach Darmstadt, um dem Pressesprecher der DACH diese Information zu entlocken.«
    »Stimmt, da hat so ein Typ bei mir in der Redaktion angerufen.«
    »Herr Knöterich war so freundlich, mir von den Höhen und Tiefen dieses Traditionsunternehmens zu berichten.«
    »Knöterich? Heißt der wirklich so? Armes Schwein.«
    »Du sagst es. Und weiter?«
    »Wieso weiter? Du kennst doch schon ...«
    »Ich kenne bloß Knöterichs Version der Ereignisse. Deine nicht.«
    Er seufzte und nahm einen Schluck. »Ich bin einfach zu gutmütig ... Also: Bünting wurde für das

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