Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
Desaster verantwortlich gemacht und musste schließlich dem massiven Druck weichen. Für die DACH eine zweischneidige Angelegenheit: Einerseits waren die 18 Millionen ein harter Schlag, andererseits galt Bünting als der Einzige, der das Unternehmen auf lange Sicht wieder nach oben bringen konnte. Nicht die beiden Meyers, diese verzogenen, Golf spielenden Weicheier. Das heißt, man brauchte Bünting als Bauernopfer, aber auch als Retter der Firma. Der Kompromiss bestand darin, ihn als Berater weiterhin an die DACH zu binden. Nach außen hin konsultiert man ihn nur gelegentlich, in Wahrheit bestimmt er die Geschicke des Unternehmens nach wie vor entscheidend mit.«
    »Verstehe.« Ich überlegte. »Trotzdem ... es klingt, als sei die Geschichte abgeschlossen. Oder meinst du, da gibt es noch offene Rechnungen? Könnte jemand Rachegelüste hegen?«
    »Gegen Bünting? Ich wüsste nicht, wer und wieso. Schließlich hat er den Kopf hinhalten müssen. Es sei denn, es gab noch weitere Opfer. Man müsste jemanden fragen, der die Interna der DACH kennt.«
    »Vielleicht schwelt seit dieser Geschichte ein Konflikt innerhalb der Firma: um Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten, Hierarchien?«
    »Möglich. Wie gesagt: von außen schwer zu beurteilen.«
    »Sieht so aus, als müsste ich noch einmal nach Darmstadt. Hast du keinen Kollegen dort, der mir weiterhelfen könnte?«
    Marc wiegte den Kopf; eine Pendeluhr, die 12 schlug. »Mal sehen, mal sehen. Ich werde es probieren, aber versprechen kann ich nichts.«
    »Du kriegst das schon hin.«
    Einige Gläser später war er ebenfalls optimistisch.
     
     

31
    »Na? Hat Ihnen der Vortrag gefallen?«
    Ein frisch gezapftes Bier in Händen, standen wir auf der Terrasse des Verbindungshauses. Auf dem Söller der Burschenburg also. Der Himmel hatte sich bezogen, und die untergehende Sonne schickte vereinzelte letzte Strahlen ins Neckartal. Das funkelnde Abendlicht ließ die Konturen stärker als sonst hervortreten, zum Greifen nah lag die Sandsteinfassade des Schlosses vor den Bergen. Schmutzig blaue Wolken formierten sich zum Angriff auf die Stadt. Oben zuckte die Fahne im Wind.
    »Ausgezeichnet«, antwortete ich der Adlernase. »Phänomenal, dieser Professor Arsani. Haben alle Kunstgeschichtler so viel Humor?«
    Marten sog an einer Pfeife und verzog seinen schmallippigen Mund zu einem schwachen Lächeln. »Bewahre. Der hier gehört einer besonderen Spezies an. Typ fröhlicher Wissenschaftler, frei nach Nietzsche. Wenn alle so wären ... Was haben Sie von dem Vortrag behalten?«
    »Behalten?« Ich schaute ihn misstrauisch an.
    »Nur ruhig, das wird keine Prüfung.« Das Lächeln verstärkte sich; schöner wurde es nicht. »Ich meine es ganz ernsthaft: Was bleibt einem von so einem Vortrag haften? In einem Wort: nichts. Die Witzchen vielleicht, die Anekdötchen, das Brimborium drumherum – sonst nichts. Da ist ja auch nichts zu behalten. Arsani produziert nur heiße Luft. Zeigt die ewig gleichen Bilder, gibt stets dieselben Kommentare ab, zitiert dieselbe Literatur. Ein Schaumschläger.«
    »Immerhin war es ein sehr lebendiger Vortrag.«
    »Tatsächlich? Ich fand ihn einschläfernd.«
    »Ach ja?«, machte ich. Hatte mich der Typ beobachtet? Ich traute es ihm zu, auch wenn mein Nickerchen nur fünf Minuten gedauert hatte. Noch vor Arsanis Schlusswort war ich aufgewacht, weil mir Arndts Kopf gegen die Schulter geplumpst war. Er hatte auch gedöst.
    »Aber das ist natürlich Geschmackssache«, sagte Marten, und man sah ihm die Lüge an.
    »Studierst du Kunstgeschichte?« Ich hatte beschlossen, ihn konsequent zu duzen.
    »Ich? Nein, nein, Theologie«, antwortete er. »Aber ich schaue ab und zu bei den anderen Fakultäten vorbei. Man lernt nie aus. Arsani ist dafür bekannt, dass er sich nur auf einem eng umgrenzten Gebiet auskennt. Er bietet auch bloß Seminare zu dem einen Thema an. 18. Jahrhundert, das wars. Aber er kann kommunizieren, Verbindungen schaffen, das muss man anerkennen. Schafft Stipendien ran, sitzt in allen wichtigen Gremien, kennt Gott und die Welt ... Ironischerweise kommt kein Kunstgeschichtler, der etwas werden will, an dieser Nulpe vorbei.«
    »Tatsächlich?«
    »Sagen wir: kein Heidelberger Kunstgeschichtler. Und schon gar keine Kunstgeschichtlerin. Für die gibt es ein einfaches Mittel, um nach oben zu kommen. Ein eher horizontal gelagertes Mittel. Was ich Sie fragen wollte«, fügte er ohne Überleitung an, »welche Art Artikel schreiben Sie für die Neckar-Nachrichten

Weitere Kostenlose Bücher