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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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schlagen Sie sich aus dem Kopf, guter Mann. Das ist futsch. Kaputt. Und kunstgeschichtlich ohnehin wertlos.«
    Na, dagegen konnte man mich geradewegs dezent nennen. Der Alte sah aus, als würde er eine Gallenkolik und einen Schlaganfall gleichzeitig bekommen. Bebend hielt er sich an seinem Sektglas fest und verstummte. Kuhauge schritt empört von dannen, Arndt begann mit einem Burschenfreund zu tuscheln, und ich schlenderte in Richtung Terrasse, um ein letztes Mal Frischluft zu tanken.
    Unten startete ein Auto, ein zweites hinterher. Der dunkelblaue Himmel war wie mit schwarzer Tinte bemalt. In breiten, klobigen Pinselstrichen hatte sich dort ein Aquarellist ausgetobt, der noch darauf wartete, von Professor Arsani in wissenschaftlichen Büttenreden verhackstückt zu werden.
    Vor mir schimmerte der Fluss, hinter mir schlug das Lachen der Gäste aus der offenen Terrassentür. Plötzlich wurde mir klar, welches Auto da eben losgefahren war. Es ist der einzige Wagen dieser Welt, den ich am Motorengeräusch erkenne. Ich trat nach vorne an die Brüstung und sah in der Ferne gerade noch die beiden Rücklichter Gertruds verschwinden.
    Gertrud ist der Name von Fattys Mini.
     
     

32
    Ich hatte mich nicht getäuscht. Als ich einige Stunden später, trunken vom Alkohol und vom Geschwätz all dieser Besserwisser, auf die Straße trat, fand ich an meinem Rad einen Zettel mit einer Nachricht von Fatty. ›Bin hinter d. Dicken her. Melde mich morgen‹, hatte er offenbar in Eile gekritzelt und mir das Papier an die Fahrradklingel geklemmt. Dass er nicht Bünting, sondern diesen Heinz Schafstett aus Wieblingen verfolgte, überraschte mich. Aber er würde seine Gründe dafür haben. Auf seinen Bericht war ich gespannt.
    Weit über mir schlug eine Tür auf; ich hörte gedämpftes Stimmengewirr und unkontrolliertes Lachen aus dem Burschensaal in die Nacht hinausschallen. Jemand betrat die Terrasse. Auf dem Asphalt der Uferstraße begann ein seltsames Schattenspiel.
    »Finger weg, du Pimmel!«, kreischte eine Frau von oben.
    Ich steckte Fattys Zettel ein, um mich im nächsten Moment zu ducken. Zischend zerschnitt ein heller Gegenstand die Luft und zerschellte mitten auf der Straße. Die Splitter des Tellers flogen bis in den Neckar.
    »Nun stell dich nicht so ...«, brummelte ein Mann, Füße scharrten, die Frau quiekte, dann verebbte der Lärm. Die Terrassentüren wurden wieder geschlossen. Die Straße war von Splittern übersät, in der Kehrrinne lag ein angebissenes Hähnchenbein. Dieser Arsani war einfach unersättlich, in jeder Hinsicht.
    Nun herrschte wieder nächtliche Stille.
    Ich schwang mich auf meinen Drahtesel und fuhr langsam los, den Kopf voller Gedanken. Wieso war Fatty hier gewesen? Von dem Vortrag hatte ich ihm erzählt. Seine Nachricht war ein netter Hinweis, aber überflüssig, da er mir ohnehin morgen Bericht erstatten würde. Es gab nur eine Erklärung für seine Aktion: Er war durch Schafstett selbst hierher geführt worden. Das wiederum bedeutete, dass Bünting nun über meine Bekanntschaft mit seinem Enkel Bescheid wusste. Wie würde er reagieren? Panisch? Wie eine angeschossene Raubkatze?
    Das interessierte mich.
    Es interessierte mich so brennend, dass ich diese Frage ohne Aufschub beantwortet wissen wollte. Büntings Villa lag nur fünf Radminuten vom Neckarufer entfernt, und wenn sein dicker Spezi mich vor Kurzem beschattet hatte, dann bestand berechtige Hoffnung, dass auch der Alte noch nicht ins Bett gegangen war. Oder sich unruhig, von schlechtem Gewissen geplagt, zwischen den Kissen hin- und herwälzte. Ich fuhr also nicht auf direktem Weg nach Hause, sondern bog am Brückenkopf nach rechts in die Bergstraße ab. Eine prima Idee, fand ich.
    Nun, unter anderen Vorzeichen – sagen wir, unter reduziertem Alkoholeinfluss – hätte ich diese Idee weniger gut gefunden, vielleicht sogar ziemlich bescheuert. Zumal es jeden Moment anfangen konnte zu regnen. Mitternacht war vorüber, und was wollte ich an Büntings Haus schon groß erfahren, außer, dass der Alte noch wach war oder bereits schlief? Andererseits bedeutete die Fahrt zum Oberen Auweg nur einen kleinen Umweg, und die frische Nachtluft würde meinem schwer gewordenen Kopf guttun. Wenn ich jetzt meinen Jagdtrieb ignorierte, würde ich nicht einschlafen können.
    Als ich an der Villa eintraf, war es stockfinster und totenstill. Fern in der Rheinebene schimmerten einzelne Lichter. Ich stellte mein Rad ab und schlich die Umfriedung entlang. Das erste

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