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Bergisch Samba

Bergisch Samba

Titel: Bergisch Samba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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geht nicht darum, was wir hier sehen. Es geht darum, was bestimmte Leute reininterpretieren.«
    »Das musst du mir erklären.«
    »Überleg doch mal. Wir haben hier eine Luftaufnahme. Aber genau von oben sieht den Wald ja kaum jemand. Höchstens ein Pilot oder ein Ballonfahrer. Normalerweise betrachtet man das Gelände eher von einem erhöhten Punkt aus. Von einem Turm, einem Haus oder einem Hügel. Der Bruchberg und das Gebiet drum herum ist ein sehr hügeliges Gelände. Das heißt, man sieht von einem anderen erhöhten Punkt aus diese komischen Linien nie ganz, sondern immer nur einen Teil davon.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Ich will darauf hinaus, dass der Wald, wenn man ihn nur zum Teil sieht, tatsächlich wie ein Hakenkreuz aussehen kann. Man interpretiert automatisch dieses Linienmuster hinein. Irgendjemand hat diese Struktur gesehen und geglaubt, es sei ein Hakenkreuz. Vielleicht hat er sich auch noch mit der jüngeren bergischen Geschichte beschäftigt und gewusst, dass dieser Robert Ley aus der Gegend kommt - und schon war die Geschichte vom Hakenkreuzwald geboren.«
    »Ein Gerücht.«
    »Natürlich ein Gerücht. Aber eins, das Auswirkungen hat! Rat-nik hat sich dafür interessiert. Das haben dir mehrere Leute bestätigt. Und du suchst doch Informationen über Ratnik, oder?«
    Ich nickte. »Sicher. Aber soll das jetzt heißen, dass diese Baumformation gar nicht in den Dreißigerjahren gepflanzt wurde?«
    »Das weiß ich nicht. Es ist natürlich auch möglich, dass es mal ein richtiges Hakenkreuz war und dass es nach dem Krieg verändert wurde. Indem man diese Baumlinien einfach weitergeführt hat. Dadurch hat es dann seine Form verloren - und das ist ja auch gut so. Aber die Geschichte bleibt dieselbe.«
    »Dann wären die Bäume unterschiedlich alt«, überlegte ich.
    »Vielleicht ist es ja so.«
    »Und du meinst, dieser Jemand, der diese Geschichte in die Welt gesetzt hat, sei Jonas Ratnik.«
    »Oder er hat sie von jemandem gehört. Auf jeden Fall hat ihn das interessiert. Jetzt kapier doch endlich, dass es nicht darum geht, was wirklich mit dem Wald ist, sondern darum, was Ratnik und andere Leute darüber denken.«
    »Du willst tatsächlich durch den Wald stapfen und diese Baumreihen suchen? Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Vom Boden aus ist doch da nichts zu erkennen. Und wenn ich das hier richtig sehe, folgen die Dinger nicht gerade ordentlich den Wanderwegen. Wir würden nur im Wald herumirren!«
    »Auch darüber habe ich mir schon Gedanken gemacht. Es ist alles vorbereitet. Und das Wetter ist auch einigermaßen. Wir sollten uns aber beeilen. Es ist jetzt kurz vor eins. In drei Stunden wird es schon langsam wieder dunkel. Und ein Stück fahren müssen wir auch noch.«
    Ich starrte an die Decke und dachte nach. Mir gefiel der Plan ganz und gar nicht. Auf der anderen Seite war ich nicht gerade mit wertvollen Hinweisen gesegnet.
    »Was genau glaubst du in diesem Wald zu finden?«, fragte ich schließlich.
    »Eine Spur, die auf Ratnik oder Leute, die er kennt, hindeutet. Ein Indiz, dass jemand dort war. Irgendetwas.«
    »Meinst du, in diesem Wald feiern Neonazis finstere Feste und opfern kleine Kinder?«
    »Ich weiß, dass es dumm ist, sich in Fantastereien zu ergehen, aber wenn ich ehrlich sein soll - mein Verdacht geht ein bisschen in diese Richtung.«
    Ich zündete mir eine Zigarette an. »Schön«, sagte ich. »Versuchen wir es.«
    »Dann mach die Kippe aus. Das schadet sowieso nur deiner Lunge.«
    »Wird das eigentlich anstrengend?«, fragte ich, ohne Juttas Aufforderung nachzukommen. »Du weißt, ich bin nicht gerade der Sportlichste. Und so wie du angezogen bist…«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Jutta und zeigte auf die Wanderkarte. »Aber ich denke, wir brauchen nur diesem geschwungenen Weg zu folgen. Mitten in der Kurve beginnt eine dieser Baumreihen.« Sie schob mir die gefaxte Luftaufnahme hin. »Siehst du? Hier.«     
    »Mir wäre es lieber, man würde diese Baumstruktur auf die Wanderkarte zeichnen. Dann wüssten wir wenigstens genau, wie wir gehen müssen.«
    »Schon erledigt.« Wieder öffnete sie den Rucksack. Ich fragte mich langsam, was da noch alles drin war. Diesmal förderte Jutta ein DIN-A-4-Blatt zutage. Es war eine stark vergrößerte Fotokopie der Wanderkarte. Der Ausschnitt zeigte wie unter einer Lupe das Gebiet des Bruchberges. Jutta hatte mit rotem Filzstift die Balken von dem gefaxten Luftbild übertragen.
    »Es war ein bisschen kompliziert, das

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