Bericht vom Leben nach dem Tode
gesprochen, der Jim geholfen habe, sich dort einzugewöhnen.
»Das kann nur Jims Großvater mütterlicherseits sein. Er war ein russischer Jude«, sagte Pike.
»Hier ist auch ein Mann namens Louis Pitt. Er sagt, er kenne Sie, war Universitätsgeistlicher«, meldete Fletcher.
»Stimmt«, bestätigte Pike. »Pitt war mein Vorgänger an der Columbia-Universität. Bei der Wahl zum Bischof hatte er mehrmals Pech. Er war sozusagen immer Brautjungfer, nie Braut.«
»Und hier spricht Mrs. Carol Rede, mit der Sie gut bekannt waren, als Sie Pfarrer waren an der Kirche St. John the Divine in New York. Sie hat eine persönliche Bitte an Sie…«
»Ich erinnere mich noch sehr gut an Sie«, sagte Bischof Pike, »aber ich wußte nicht, daß sie gestorben ist.«
Alle Botschaften, die in dieser Séance durchkamen, waren allein für Pike bestimmt und zum Teil sehr privater Art. Für den Außenstehenden war, vom Inhalt der Nachricht her, nur das Gespräch mit seinem Sohn bewegend, und dennoch war das Echo auf diese Sendung überwältigend. Alle Zeitungen berichteten darüber und zitierten, ohne an der Lauterkeit dieser Feststellung zu zweifeln, Bischof Pikes abschließende Worte:
»Es stimmte alles, doch vieles konnte in seiner vollen Bedeutung leider nur ich verstehen. Die Details der Botschaften gingen weit über das hinaus, was ich bewußt, und, wie ich vermute, auch unbewußt, in meinem Gedächtnis gespeichert haben kann.«
Wir verabredeten weitere gemeinsame Séancen, und wir freuten uns auf eine lange fruchtbare Zusammenarbeit. Doch es sollte anders kommen. Schon im nächsten Jahr kam Bischof Pike auf tragische Weise ums Leben. Die ganze Welt nahm an seinem Schicksal und der fehlgeschlagenen Rettungsaktion Anteil. Auf eigene Faust und ohne genügende Kenntnisse von den Tücken der Wüste hatte er eine Fahrt mit einem Kleinwagen durch die Wüste Negev zu den Fundstätten der Schriftrollen vom Toten Meer unternommen. Auf der unwegsamen Wüstenpiste hatte er eine Panne und entschloß sich verhängnisvollerweise, sich zu Fuß bis zur nächsten Siedlung durchzuschlagen. Er verlor die Orientierung, und das Suchkommando, das seine Frau alarmiert hatte, forschte vergebens nach ihm.
Zu dieser Zeit fuhr ich gerade mit Jerome Ellison im Auto durch Connecticut. Er fragte mich etwas und bemerkte, daß ich abwesend war. Es vergingen einige Minuten, ehe ich wieder »zurück« war und mich bei Ellison entschuldigte: »Sorry, ich versuchte eben, Pike zu finden. Er ist irgendwo in der israelischen Wüste.« Ich hatte ganz klar Pikes Situation erfaßt, seine Empfindungen in seinen letzten Stunden. Aber ich vermochte ihm nicht zu helfen. Ich kann nur hoffen, daß er in diesen Augenblicken meine Anwesenheit so deutlich gespürt hat wie ich die seine.
Ein paar Tage später meldete die Presse, daß man ihn gefunden hatte. Er war in der Gluthitze der Wüste, weitab von jeder Piste, verschmachtet.
Ob Fletcher uns noch einmal zusammenbringt? 48
Eine reelle Chance
Die Fernsehsendung mit Bischof Pike und mir löste in der Öffentlichkeit eine Welle des Interesses und der Einsicht aus. Die Anteilnahme an meiner Arbeit war aufmunternd und rührend, manchmal auch schon beängstigend. Ich bekam bergeweise Post von Menschen, die plötzlich bei sich selbst außersinnliche Wahrnehmungen entdeckt haben wollten, mir ihre Erlebnisse berichteten und mich um Begutachtung ihrer »Manifestationen« baten. Andere brannten darauf, mediale Talente zu entwickeln, und wollten bei mir »Mediumistik« studieren. Man kann sich denken, daß eine gewissenhafte Beantwortung dieser Zuschriften außerordentlich schwierig war. Schließlich ist mediales Training kein Ausgleichssport für jedermann, obwohl die Grundübungen niemanden schaden könnten – im Gegenteil. Und viele wollen nicht warten, bis diese Erkenntnis Allgemeingut geworden ist.
Noch muß man mit Verständnislosigkeit rechnen, wie sie mir ein junger Mann kürzlich beschrieb. Timothy Freejoy, kaufmännischer Angestellter in einer Maschinenfabrik, kam an einem Montagmorgen fünf Minuten zu spät ins Büro und begrüßte seinen Chef arglos mit den Worten:
»Guten Morgen, Boß. Wie geht es Ihrer unsterblichen Seele heute früh?«
Der Boß runzelte nur die Stirn und sah demonstrativ und mißbilligend auf seine Armbanduhr.
»Tut mir leid, daß ich zu spät gekommen bin«, meinte Timothy und fing an, auf seinem Schreibtisch herumzukramen, »aber meine Meditation hat heute früh etwas länger
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