Bericht vom Leben nach dem Tode
imitieren. Nachahmung führt leicht zu Selbsttäuschung und diese auf gefährliche Bahnen. Daß dies in weitaus stärkerem Maße noch für die Benutzung von Drogen gilt, versteht sich von selbst. Und nun der wichtigste Rat: Fürchten Sie sich nicht, wenn Sie das Gefühl haben, sich von Ihrem Körper zu lösen. Das kann zu einem unüberwindlichen Hindernis werden, so wie etwa beim Schwimmen die Angst, keinen Grund mehr zu haben. So wenig wie die Fertigkeit des Schwimmens von Nutzen ist, wenn man sich nicht ins tiefe Wasser wagt, so wenig fruchtet die Bemühung um Meditation, wenn man sich vor ihrem Zielpunkt ängstigt. Meditation bedeutet keinen Verlust der Kontrolle über sich selbst, sondern das Gegenteil: Erringung der höchsten Kontrolle. Wer das weiß, der wird die Angst vor tiefer Versenkung verlieren, und eine neue Wahrnehmungsebene wird sich für ihn auftun.
Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, an dem mir meine medialen Fähigkeiten nicht mehr beunruhigend erschienen. Ich möchte den Vergleich anstellen, daß ich mir wie ein Pferd vorkam, dem plötzlich die Scheuklappen abgenommen worden sind. Ich fühlte mich nicht mehr eingeengt; die Welt hatte für mich größere Dimensionen angenommen. Vor allem aber hatte das Leben einen neuen, erweiterten Sinn erhalten, denn offensichtlich stellte der Tod kein Ende des menschlichen Wirkens dar.
Wäre man bereit, die Tatsachen anzuerkennen, die jetzt – fast ein halbes Jahrhundert später – unverrückbar feststehen, bedeutete dies das plötzliche Ende der materiellen Kausalität in der Wissenschaft und des Positivismus in der Philosophie. Die Ideologien müßten revidiert werden und geistig-seelische Qualitäten und Vorgänge, die man heute noch nicht anerkennt, in den Mittelpunkt unserer Lebensanschauung treten. Glaubensfragen, von vielen als unwesentlich beiseite geschoben, müßten den ihnen zukommenden Vorrang erhalten. Das Leben eines jeden Individuums müßte neu geplant werden, zugeschnitten auf eine Lebensdauer über den biologischen Tod hinaus. Juristen und Soziologen müßten neue gesellschaftliche Werte setzen, die einer in die Unendlichkeit verlängerten menschlichen Existenz entsprächen.
Diese Entwicklung wird durch Furcht gehemmt. Das Leben kann sich nicht frei und ungehindert entfalten, wenn es täglich von der Furcht vor der Auslöschung überschattet wird. Daher ist die großartigste Gabe, die einem das Leben schenken kann, die Lösung von der Todesfurcht. Dies ist die Überzeugung aller, die mit echten medialen Fähigkeiten ausgestattet sind. Den Menschen über Todesangst und die Trauer um einen Verstorbenen hinwegzuhelfen, habe ich stets als eine meiner Hauptaufgaben betrachtet. Mein höheres Ziel indessen ist es, überzeugend zu lehren und zu beweisen, daß es ein Weiterleben gibt – nicht um Neurosen zu züchten, sondern um Tatsachen festzustellen. Der Mensch hat das Recht zu erfahren, welcher Art das Universum ist, in dem er lebt. Was ihm hilft, ist die Wahrheit. Es gilt, den Tod als eine unserem Dasein zugehörige vorübergehende Erschütterung zu akzeptieren, als den notwendigen Verwandlungsakt einer Metamorphose.
Ich bin keineswegs sicher, daß diejenigen unbedingt das Richtige tun, die in Séancen die vertraute Gemeinschaft verstorbener geliebter Menschen wiedergewinnen wollen. Hier, so will mir scheinen, gelten die üblichen irdischen Grundsätze. Extreme Abhängigkeit, gleich welcher Art, übt im allgemeinen einen hemmenden Einfluß auf die Entwicklung des Charakters aus. Es gibt auch im physischen Leben einen Zeitpunkt, zu dem der einzelne sich aus alten Abhängigkeiten lösen und auf sich selbst gestellt weiterleben muß. Die Erfahrung, daß die Jenseitigen – mit Ausnahme der gewissermaßen professionellen Kontrollgeister wie Fletcher – nur noch eine bestimmte, relativ kurze Zeit nach ihrem Tod Verbindung mit den Lebenden suchen und dann ihre Teilnahme an persönlichen und irdischen Problemen mehr und mehr nachläßt, deutet auf eine weise Maßnahme von höherer Instanz hin, eine lebenslange emotionale Abhängigkeit zwischen den Bewohnern der diesseitigen und der jenseitigen Sphäre möglichst zu unterbinden.
Dieses Buch 49 habe ich mit der Gewißheit begonnen, daß es mein letztes sein wird. Ich habe so viele Herzattacken hinter mir, daß ich schon ziemlich verbohrt sein müßte, nicht zu sehen, daß die allerletzte nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Ich verabscheue es, krank zu sein. Aber sterben? –
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