Bericht vom Leben nach dem Tode
gedauert. Ich fiel in Trance, und schon ging es los, wie mir mein Bruder hinterher erzählt hat. War hochinteressant. Sie können sich nicht vorstellen, wie das ist, aber sie sollten es selbst einmal probieren.«
Der Boß stellte keine weiteren Fragen, denn selbstverständlich hatte er sofort erkannt, daß Freejoy ein Spinner ist. Im Geiste strich er ihn von der Liste derjenigen, die für eine Gehaltserhöhung vorgesehen waren. Beförderungen haben nur solche verdient, die ihren »gesunden Menschenverstand« unter Beweis stellen. Und was gesund ist, das weiß der Boß.
Ich will weder einer neuen Weltanschauung noch einer neuen Mode Vorschub leisten oder gar Ratschläge zur Verwirklichung von fixen Ideen erteilen. Eine fixe Idee ist es aber auch, daß das Thema »Außersinnliche Wahrnehmung als reelle Chance für alle« nicht – oder heute noch nicht – nüchtern zu erörtern sei. Ich habe ja bereits nachgewiesen, daß solche Wahrnehmungen keineswegs stets mit religiösen oder einfach schwärmerischen Vorstellungen zu tun haben. Selbst im Altertum traten solche Erscheinungen nicht nur unter religiösen Vorzeichen auf, wie man aufgrund der überlieferten, vorwiegend sakralen Literatur vermutet hat. (Denken wir doch nur an den Mann, der Julius Caesar vor den Iden des März warnte!) Auch mit »Askese« hat die Freilegung neuer Wahrnehmungskanäle, meiner Erfahrung nach, nichts zu tun.
Die Vorstellung, daß, höhere Einsichten zu haben, das Privileg frommer, weitabgewandter Einsiedler sei, ist merkwürdigerweise noch immer sehr lebendig. Viele medial Begabte, die den rechten Weg suchten, so auch ich, haben die Erfahrung des heiligen Hieronymus nachvollzogen: Um zu einem kontemplativen Leben zu gelangen, suchte er in einem Kloster Zuflucht. Die Leere und Weltfremdheit der mönchischen Lebensweise und die Unzulänglichkeit der berufsmäßigen Einsiedler zerrten jedoch an seinen Nerven und beeinträchtigten seinen Verstand. Er versuchte es redlich und kehrte dann in den »normalen Alltag« zurück.
Es gibt natürlich leuchtende Ausnahmen, doch im allgemeinen hat sich asketisches Leben nicht als erfolgreicher Weg zu geistiger Höherentwicklung erwiesen. Ich habe verhältnismäßig viel Zeit in westlichen Klöstern und östlichen Ashrams zugebracht. Von geistigem Fortschritt war kaum etwas zu merken, dafür aber die geistige Verkümmerung nur allzu offensichtlich. Ich stieß auf kaum verschleierte Genußsucht, neurotische Sexualität, wie zum Beispiel spontane Ejakulationen während der Andacht. In dem Bestreben, völlig normale biologische Prozesse zu sublimieren und zu eliminieren, kann gerade das, was ein Mensch abtöten möchte, zur Besessenheit werden. Ich habe innerhalb der Klostermauern Heuchelei, Eifersucht, Streit und hochgradige Psychopathen gefunden.
Ich fand jedoch nirgends eine Rechtfertigung für Askese; weder in der eigenen Erfahrung noch durch Beobachtung, weder in der Literatur noch in den religiösen Geboten. Jesus folgte einem Rhythmus, den Arnold Toynbee treffend als »Zurückgezogenheit und Wiederkehr« bezeichnet hat. Manchmal, so heißt es, »zog er sich in sich selbst zurück« und meditierte. Dann wieder ging er, nach seinen eigenen Worten, unter die Menschen »und trank und aß«. Es gibt keine Angaben darüber, daß er verheiratet war, doch zahlreiche Beweise dafür, daß er nicht kontaktarm und weltfremd war.
Andererseits ist es unmöglich, ein Leben geistigen Wachstums zu führen und sich gleichzeitig triebhaften Ausschweifungen hinzugeben. Das haben mich meine Erfahrungen mit Drogen und mit Alkohol ein für allemal gelehrt. Wem es gelungen ist, nicht in die Fallstricke der Süchte zu stolpern oder sich wieder aus ihnen zu befreien, dem wird es nicht schwer, die natürlichen Triebe in die geregelte Ordnung seines Lebens einzugliedern. Die Welt ist unser Kloster. Das Bestreben, geistigen Grundsätzen die ihnen gebührende Geltung zu verschaffen, ist unsere mönchische Übung.
Es gibt ein Sprichwort, daß schlammiges Wasser klar werde, wenn es eine Zeitlang stillsteht. Dasselbe geschieht mit der Psyche. Die Unruhe setzt sich, wenn man wartet, alles Ablenkende ausschaltet und lauscht. Diese geistige Sammlung muß nicht unbedingt »Meditation« im Sinne des großen Yogananda sein oder als christliches Exerzitium betrieben werden. Ihr Sinn ist nicht Flucht aus dem Alltag, sondern seine Bewältigung und das gesteigerte Erkennen der alltäglichen Gegebenheiten des Daseins. Viele Menschen sind
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