Bericht vom Leben nach dem Tode
Gelegenheit – das heißt, bei der nächsten Séance – gern persönlich begrüßen würde.
John Lamond, ehemaliger Pfarrer an der Greensides Church in Edinburgh, zählte zu den besten Medien Englands. Bald nach dem Ersten Weltkrieg hatte er Botschaften von seiner Tochter Kathleen empfangen, die als Krankenschwester in einem Frontlazarett in Frankreich gestorben war. Lamond machte kein Hehl aus diesem Kontakt und verbreitete Kathleens Kunde vom Jenseits in seiner Gemeinde. Als die Kirchenbehörde ihm dies unter sagte, gab er sein Amt auf. Seitdem hielt er in ganz England vielbesuchte Vorträge und erfolgreiche Séancen ab. Auch mit Conan Doyle hatte er experimentiert.
Bei der von Sir Arthur gewünschten Sitzung mit Lamond und mir ging es um eine heikle Angelegenheit: Es hatten sich bei der Witwe Lady Doyle in letzter Zeit mehrere Literarhistoriker und Schriftsteller von Rang gemeldet, die daran interessiert waren, Conan Doyles Biographie zu schreiben und um die Erlaubnis baten, sein umfangreiches Archiv und seinen Nachlaß benutzen zu dürfen. Der Witwe fiel die Entscheidung schwer, wem sie das Recht, die erste authentische Lebensgeschichte ihres Gatten zu schreiben, einräumen sollte, und nun griff derjenige, um den es ging, selbst ein. Sir Arthur ersuchte – man kann fast sagen: beauftragte – John Lamond, seine Biographie zu verfassen, und bat mich, Lamond dabei zu helfen.
In der darauf folgenden Sitzung war auch Lady Doyle anwesend. Sir Arthur wiederholte seinen Vorschlag, seine Gattin – vorsichtig und mißtrauisch, wie es sich für die Frau eines Meisterdetektivs gehört – überzeugte sich, daß hier zwei Medien nicht etwa ein abgekartetes Spiel trieben, um sich einen lohnenden Auftrag einzuhandeln, und stimmte seinem Plan zu.
Während der nächsten Monate nahm Lamond mit einem Stoß von Manuskriptblättern und Notizzetteln an meinen Séancen teil und stellte durch mich und durch Fletchers Vermittlung Fragen an Sir Arthur, die dieser, so gut er sich erinnerte, beantwortete. Ich weiß natürlich nicht, was er im einzelnen gesagt hat, aber Lamond hat mir versichert, daß er ohne meine Hilfe diese Biographie nicht hätte schreiben können. 17
Auch Harry Price und Eileen Garrett hielten mit Doyle Kontakt. Es wurde ein richtiges Teamwork. In dieser Zeit kam, für alle Séanceteilnehmer völlig überraschend, eine Verbindung sozusagen außer der Reihe zustande, die Price später als »mein aufregendstes Erlebnis als Zeuge außersinnlicher Vorgänge« bezeichnete.
Die Sitzung fand um drei Uhr nachmittags, also bei vollem Tageslicht, statt. Wir nahmen unsere Plätze an einem Tisch gegenüber dem Hauptmedium dieser Zusammenkunft ein. Eileen Garrett schloß ihre Augen, gähnte und entspannte sich so, daß sie beinahe vom Sessel rutschte. Nach fünf Minuten war sie völlig in Trance. Sogleich begann Uvani aus ihr zu sprechen, wie stets zunächst in seinem gebrochenen Englisch: »Hier spricht Uvani. Ich grüße euch, Freunde…« Es folgten die üblichen, etwas umständlichen Segenswünsche. Dann sagte er: »Ich erkenne einen I-R-V-I-N-G oder I-R-V-I-N. Er sagt, er muß unbedingt etwas unternehmen… Nein, er gehört zu niemandem hier – er entschuldigt sich für seine Störung. Scheint unbedingt mit einer Dame sprechen zu wollen: Dora, Dorothy, Gladys… Er sagt: ›Kümmere dich nicht um mich, aber um Himmels willen, gib es ihnen weiter. Das Luftschiff ist zu schwer für diese Motorenkapazität.‹«
Dann änderte sich die Stimmlage des Mediums, und ein anderes Wesen stellte sich als Leutnant H. Carmichael Irvin vor, Kapitän des Luftschiffes R 101. Dieses britische Riesen-Luftschiff war am frühen Morgen des 5. Oktober 1930 bei Beauvais, sechzig Kilometer nördlich von Paris, abgestürzt. Irvin, der durch das Medium redete, schien sehr erregt zu sein. In einem langen Bericht – schnell gesprochene Sätze, die immer wieder von Pausen unterbrochen wurden – schilderte er, welche technischen Schwierigkeiten R 101 zu bewältigen hatte. Harry Price schrieb mit:
Die Motoren sind zu schwer… das Höhensteuer klemmt. Eine Explosion, die durch Gewitterspannungen hervorgerufen wurde. Fliegen zu niedrig und können nicht höher steigen. Der Auftrieb ist zu gering. Belastung zu groß für einen langen Flug. Gilt auch für SL 8. Sagt es Eckener. Geschwindigkeit läßt nach, das Schiff schaukelt bedrohlich. Starke Spannung an der Außenhülle, die brüchig wird. Steuerbordverstrebungen haben sich gelockert.
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