Bericht vom Leben nach dem Tode
kannte sie und sagte ihm das. Ihr Bruder L. wollte ihr eine Botschaft senden. Ich schrieb sie mit und brachte sie jener A.B.B. am Tag darauf. Es war mir klar, daß ich die Sache überaus taktvoll angehen mußte: »Haben Sie einen Bruder namens L.?« fragte ich.
A.B.B. lächelte stolz und erzählte mir von ihrem verstorbenen Bruder, der sehr begabt gewesen sei.
»Hatte er irgend etwas mit den Möbeln zu tun, die Sie in Ihrem Haus haben?« Das hatte er, und sie erzählte mir einiges darüber.
Dann fragte ich: »Hat Ihr Bruder getrunken?«
»Nein, er war ein wunderbarer Mensch.«
»Dann ist er nicht an Trunksucht gestorben?«
A.B.B. sah mich entsetzt und verständnislos an.
»Er hat auch nicht seine Frau verlassen und ist mit einer anderen auf und davon gegangen?«
»Du meine Güte, nein!«
Ich war verwirrt und verlegen, und die ganze Angelegenheit war mir sehr peinlich; schließlich war die Dame eine hochgeschätzte Persönlichkeit. Nach einigem Zögern erzählte ich ihr, daß Arthur Ford in unserer Stadt eine Séance abgehalten hatte, und was ihr verstorbener Bruder ihr habe ausrichten wollen. Sein letzter Satz sei gewesen: »Obwohl ich mit Helen nach Mexiko ging, habe ich sie nie wirklich geliebt. Ich liebte immer nur meine Frau und möchte, daß sie es erfährt.«
Kaum hatte ich das gesagt, rief A.B.B. fast triumphierend aus: »Ich wußte immer, daß er Helen nicht liebte.« Nachdem die Geschichte nun ans Licht gekommen war, bestätigte sie alle Einzelheiten, nur sei ihr Bruder nicht an Alkoholismus gestorben, sondern an etwas anderem.
Als seine Witwe von der Botschaft erfuhr, suchte sie mich auf, um sich aus erster Hand berichten zu lassen. Was die Todes-Ursache betraf, gab sie immerhin zu, daß ihr Mann in Wirklichkeit nicht an der Krankheit gestorben war, die man in der Todesanzeige genannt hatte.
Diese wieder einmal allzu persönliche, beinahe peinliche Botschaft führt uns zu einem weiteren Aspekt der »ungeheuren Belanglosigkeiten«: Séancen sind in der Regel halböffentliche Veranstaltungen. Sie werden von Menschen unterschiedlichster Art besucht, um mit Jenseitigen unterschiedlichster Art ins Gespräch zu kommen. Die Unterschiede bestehen in der sozialen Herkunft, im Bildungsgrad, in der Weltanschauung, in der Nationalität, in der Sensibilität, im Erinnerungsvermögen, im Taktgefühl, in der gesundheitlichen Konstitution und in der Charakterstärke. So extrem verschiedene Menschen zusammen zu einer Dinnerparty einzuladen, würde ein enormes Risiko bedeuten. Sie hätten einander nichts zu sagen, zumindest würde es am Anfang so scheinen. Aber es gibt ja ein hervorragendes »Schmiermittel«, das mitunter selbst die schwierigste gesellschaftliche Kommunikation in Gang bringt. Man kann auch von einem Katalysator sprechen. Ich meine das jedermann bekannte oberflächliche, unverbindliche Geplauder über das Wetter, das Parkplatzproblem, Modefragen usw. Das ist mit Sicherheit weniger riskant als sich über Fußballmannschaften, Politik und Glaubensprobleme zu unterhalten. Schließlich möchte man keinen Fauxpas begehen und die ohnehin etwas mühselige Konversation nicht in Gefahr bringen. Man hütet sich also, etwas zu sagen, was als »unpassend« erscheinen könnte.
Es ist, möchte ich behaupten, nicht zuletzt ein Zeichen ängstlicher Anpassung an die Konventionen der Irdischen – und insofern Zeichen eines unterentwickelten Sozialbewußtseins –, daß die Jenseitigen, um die für einen »guten Empfang« notwendige freundliche Atmosphäre nicht zu stören, oft über die Themen hinweggleiten, die ihr Hauptanliegen sind oder sein müßten.
Was ist eigentlich dieses Hauptanliegen? Anspacher hat es so gut formuliert, daß es am besten ist, ihn wieder zu zitieren: »Wir sollten nicht erwarten, durch die Verständigung mit den ›Körperlosen‹ exakte Schilderungen des künftigen Lebens zu erhalten. Wir müssen daran denken, daß unser gesamter Wortschatz vom Irdischen geprägt und gewissermaßen dreidimensional determiniert ist… Jedes Wort, das wir benützen, ist mit irdischem Ballast beschwert. Den ›Körperlosen‹ ist das viel mehr bewußt als uns. Sie stellen fest, daß das irdische Vokabular nicht ausreicht, um uns eine Welt zu beschreiben, die wir nicht kennen und in der sie selbst erst seit kurzem leben. Würden Sie denn in unserer Welt von einem Neugeborenen einen Vortrag über alltägliche Lebensfragen verlangen? Vermutlich können vor allem die Neuangekommenen unter den Jenseitigen
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