Bericht vom Leben nach dem Tode
einen Bruder namens Martin, der viele Jahre vor Walters Tod im Krieg gefallen war, und eine Schwester Mary, die ganz jung gestorben war. Mary und Martin besaßen einen weiteren Horizont als Walter und auch als die Eltern. In beiden war infolge irdischer Erlebnisse, die sie weit über die engstirnigen Voreingenommenheiten des Familienkreises hinausgeführt hatten, schließlich die Befähigung für ein verständnisvolles Interesse an ihren Mitmenschen erwacht.
Auch sie waren nach einer Periode in der Traumruhe von Stufe Zwei zu den imaginativ geschaffenen, alten heimatlichen Verhältnissen zurückgekehrt. Aber ihr Verweilen auf dieser Bewußtseinsebene war nur von kurzer Dauer. Sie erkannten die Begrenztheit der vertrauten Umwelt und der herkömmlichen Beschäftigungen; sie sehnten sich nicht wie Walter nach einer Rückkehr zum Erdenleben, sondern nach bewußtseinserweiternden Erfahrungen in neuen Dimensionen. Und so schritten sie zur Stufe Vier, der »Region der Farbe« oder »Welt des Eidos«.
Martin konnte später auch den Vater auf diese höhere Bewußtseinsebene führen. Der Mutter aber gelang es nicht, sich von ihrem abgöttisch geliebten Sohn zu entfernen, um ihn seinen Weg allein finden zu lassen. Auch sie blieb auf der Stufe Zwei.
Nicht alle Erfahrungen auf der dritten Stufe seien so trübe wie im Falle dieser eben beschriebenen Familie, sagt Myers. Statt im Familienkreis kann sich der Gruppentrieb in einem Spezialinteresse, einer Religion, einem Beruf, einer Kunst oder irgend etwas anderem manifestieren, das Menschen zusammenzubringen vermag. Da die Verständigung gedanklich erfolgt, spielen Sprachbarrieren keine Rolle und ebensowenig irdisches Zeitmaß. So ist es durchaus möglich, daß eine Seele sich zu einer Gruppe gezogen fühlt, deren Mitglieder fremden Völkern und längstvergangenen Jahrhunderten angehören.
Obwohl ein Individuum mehrere Generationen lang auf Stufe Drei verharren kann, muß schließlich ein Entschluß gefaßt werden: Das Individuum kehrt entweder zur vorigen Stufe zurück oder schreitet fort zur Stufe Vier. Doch zuvor können Seelen die Gelegenheiten nutzen, eines der großen Wunder dieser Bewußtseinsebene zu erfahren: eine Reise durch einen Abschnitt der »Großen Erinnerung«. Ebenso wie man auf Erden zu einem Filmarchiv gehen kann, um sich Filme von bedeutenden irdischen Ereignissen seit Erfindung der Filmkamera anzusehen, kann man auf Stufe Drei Geschehnisse seit Beginn der Menschheitsgeschichte vor sich ablaufen sehen. Alles, was jemals geschah, ist vom kosmischen Gedächtnis festgehalten worden.
»Ich bin bisher nur bis zum Eidos, der Stufe Vier, gelangt«, schrieb Myers durch die Hand von Miß Cummins, »mein Wissen ist deshalb leider begrenzt.« Er ist auch hier, wie einst auf Erden, als Erforscher des Wesens der menschlichen Natur, des Menschenlebens und Universums und der Beziehung zwischen beiden tätig. Es ist sein erklärtes Ziel, so weit wie möglich in das Geheimnis, das ihm nach und nach enthüllt wird, einzudringen und dann mit der Hilfe von dafür Empfänglichen dem »kollektiven Geist der Menschheit« Berichte über die neuen Erkenntnisse zu schicken. »Der Reisende, der das mühsame Unternehmen durchhält, die Reichweite seiner Sensitivität und seines Verständnisses auszudehnen, wird ein stetig größer werdendes Vermögen, immer neue Bereiche des schöpferischen Universums wahrzunehmen, bei sich feststellen… Wer bis hierher gekommen ist, wird den Wunsch haben, auf der Bewußtseinsleiter weiter aufzusteigen. In den meisten Fällen wird die Sehnsucht nach einer körperlichen Erd-Existenz zu Asche verbrannt sein.«
Immer wieder betont Myers im Verlauf seiner langen Durchgabeserien, daß er über die tatsächliche Erfahrung anderer Daseinsweisen spricht und nicht nur darüber theoretisiert und spekuliert. »Hier auf Stufe Vier muß man alle starren intellektuellen Strukturen und Dogmen, gleich ob wissenschaftlich, religiös oder philosophisch, hinter sich lassen.« Diesen Punkt hebt Myers mit solcher Eindringlichkeit hervor, daß er die Stufe Vier auch die Phase der »Zerstörung des alten Weltbildes« nennt. In dieser hat Myers zum erstenmal Schwierigkeiten mit der Formulierung dessen, was er erlebt, in irdischer Ausdrucksweise. »Der Mensch hat leider nicht die Fähigkeit, sich einen nie gehörten neuen Laut, eine nie gesehene neue Farbe oder ein nie empfundenes neues Gefühl vorzustellen. Es ist daher unmöglich, ihm die unendliche Vielzahl neuer Töne,
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