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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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Mielke, Innenminister Karl Maron, Verteidigungsminister Heinz Hoffmann und Verkehrsminister Erwin Kramer. Den Auftrag, Perwuchin und Kwizinskij ständig persönlich über den Gang der Vorbereitungen auf dem Laufenden zu halten, werde er nur einem einzigen Menschen anvertrauen, dem Chef seiner Leibgarde. 9

    WEISSES HAUS, WASHINGTON, D.C.
FREITAG, 7. JULI 1961
    Nur einen Tag nachdem Ulbricht von Chruschtschow für seinen kühnen Plan grünes Licht erhalten hatte, schmiedete Kennedys Sonderberater Arthur Schlesinger Pläne, um den Tatendrang seines Rivalen Dean Acheson zu bremsen.
    Schlesinger, der schon mit siebenundzwanzig Jahren für sein Buch The Age of Jackson den Pulitzer-Preis bekommen hatte, war gewissermaßen zum Hofhistoriker Kennedys avanciert, der sich ebenfalls darum bemühte, den Schaden in Grenzen zu halten. Das plötzliche Augenmerk des US-Präsidenten auf Berlin war eine Reaktion auf die, wie er selbst meinte, schlechte Vorstellung im Vorfeld der Schweinebucht-Operation. Schlesinger hatte sich damals als einziger enger Berater des Präsidenten gegen die Invasion ausgesprochen, machte sich aber später selbst Vorwürfe, »nicht mehr getan zu haben, als ein paar schüchterne Fragen zu stellen«, während Militärs und CIA-Offiziere Kennedy drängten, die Aktion zu genehmigen. Schlesinger hatte seine Abneigung in einem persönlichen Memorandum formuliert, in dem er Kennedy warnte, dass das neue Bild von den Vereinigten Staaten zerstört werde: »Dieser wiedererwachende Glaube der Welt an Amerika wird mit dem Kuba-Unternehmen aufs Spiel gesetzt.« 10
    Schlesinger wollte auf keinen Fall denselben Fehler zweimal begehen. Der Acheson-Plan für Berlin war in seinen Augen zumindest ebenso verrückt wie die Invasion in der Schweinebucht. Deshalb bat Schlesinger zwei Personen, die beträchtlichen Einfluss auf Kennedy hatten, eine Alternative auszuarbeiten. Der eine war der Rechtsberater des US-Außenministeriums Abram Chayes, ein neununddreißigjähriger Jurist, der das Team angeführt hatte, das Kennedys Programm für den Nominierungskonvent der Demokraten verfasst hatte. Der andere war Henry Kissinger, der achtunddreißigjährige Berater des Weißen Hauses, ein aufsteigender Stern, der mit seinem Buch Die Entscheidung drängt. Grundfragen westlicher Außenpolitik Kennedys Ansichten zur Atompolitik geprägt hatte. Kissinger hatte 1960 zwar den Versuch des New Yorker Gouverneurs Nelson Rockefeller, als republikanischer Präsidentschaftskandidat nominiert zu werden, unterstützt, aber über seine Kollegen in Harvard bemühte er sich mittlerweile, auf Kennedy im Weißen Haus Einfluss zu nehmen. 11
    Als Kennedy im Februar Acheson in seine Dienste gestellt hatte, hatte Schlesinger daraus den Schluss gezogen, dass der Präsident lediglich ein breiteres Meinungsbild anstrebte. Inzwischen fürchtete Schlesinger, dass Kennedy
den unnachgiebigen Ansatz Achesons in der Berlin-Frage als eigenen Kurs übernahm, falls ihm niemand einen Alternativvorschlag unterbreitete. UN-Botschafter Adlai Stevenson war über Achesons wachsenden Einfluss ebenfalls beunruhigt. »Vielleicht hat Dean recht«, sagte er zu Schlesinger, »aber seine Behauptung sollte am Ende einer Untersuchung stehen, nicht am Anfang. Er beginnt an einem Punkt, den wir nicht erreichen dürfen, bevor alle Alternativen erwogen und erschöpft sind.« 12
    Es musste unbedingt verhindert werden, dass es Acheson gelang, den Präsidenten zu überzeugen, dass Berlin »kein Problem, sondern ein Vorwand« für Chruschtschow sei. Dem Sowjetführer gehe es gar nicht um die Situation vor Ort, sondern darum, die allgemeine Entschlossenheit der Vereinigten Staaten und ihres neuen Präsidenten, sich dem sowjetischen Vordringen zu widersetzen, auf die Probe zu stellen.
    Schlesinger fürchtete, dass »seine [Achesons] brillanten, gebieterischen mündlichen Ausführungen« die Diskussion um die Vorstellung einengen würden, dass die Sowjets »unbegrenzte Ziele« verfolgten, indem sie eine neue Berlin-Krise heraufbeschworen. Dabei hatten ausgerechnet die besten Moskau-Kenner, nämlich Thompson und Averell Harriman, ehemals Botschafter in Moskau, den Eindruck, Chruschtschows Drohgebärden könnten durchaus auf Berlin begrenzt sein, und aus diesem Grund sollte man ganz anders mit ihnen umgehen. Auch wenn im US-Außenministerium über Achesons harten Kurs Uneinigkeit herrschte, war Schlesinger doch besorgt darüber, dass niemand die andere Seite der Diskussion formulierte, weil Rusk

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