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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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nannten. Das ist ein Fischerort, der etwa hundertzwanzig Kilometer von Saigon entfernt am Meer liegt. Eigentlich sollte ein alter Mann wie ich in einer der dortigen Kolonialvillen seinen Lebensabend verbringen und am Grande Plage spazieren gehen. Wie dem auch sei, einer der kolonialen Prachtbauten ist die Villa Blanche des ehemaligen Generalgouverneurs Paul Doumer, in der Kaiser Thanh Thai seinen Hausarrest und Südvietnams Präsident Thieu seine Ferien verbrachte ...“
    „Dann stehe ich mit diesem Doppelgänger von Haus wohl eher in der Tradition des Kaisers.“
    Großvater lachte leise. „Ich glaube, es geht Ihnen besser – bis auf die Außentemperaturen. Das Klima in Vung Thau ist wesentlich angenehmer. Ein zauberhafter Ort, Madame. Man kann die Rückkehr der Fischer beobachten. Ihre Sampans tragen am Bug das silberne Fischauge. Das ist ein Symbol, das für Hoffnung auf Reichtum und gute Fahrt auf den Wellen steht. Die Boote der Flotte sind wie fliegende Fische, die im Salzwasser zu Hause sind, und die Augen der Drachen, die über das Meer wachen, sind die Hüter dieser Herde.“
    Großvater verstummte abrupt, als gestatte er sich keine weiteren Sentimentalitäten, und wandte sich ernsteren Themen zu.
    „Die Behörde, für die Sie arbeiten, Madame, oder besser gesagt, für die Sie wieder arbeiten möchten ...“, er milderte die kleine Spitze mit einem altersweisen Lächeln, „... beeindruckt mich stets aufs Neue mit ihrer Statistik. Als ein Mann des Geldes möchte ich fast sagen, es handelt sich um einen Fall selbstbetrügerischer Buchhaltung.“
    „Worauf wollen Sie hinaus?“
    „Nun, angeblich sind bislang in Berlin nur fünfundzwanzig meiner Landsleute umgekommen. Die Deutschen rechnen ihrem Volk sinkende Todeszahlen vor, dabei sind viele der Leichen nie aufgetaucht, wie wir beide wissen. Ihr bekommt sie gar nicht alle zu sehen und scheint sogar froh darüber zu sein.“
    „Man nennt das Verdrängung. Eine typische Charaktereigenschaft meiner Landsleute.“
    „Wie ich sehe, haben Sie Humor, Madame. Das gefällt mir. Immer wenn wir planen, sind wir am weitesten von der Wirklichkeit entfernt. Ist es nicht so?“
    „Darüber möchte ich nicht mit Ihnen streiten.“
    „Und diejenigen, die vorgeben, die Menschheit zu lieben, können gewöhnlich menschliche Einzelwesen nicht ausstehen.“
    „Einverstanden.“
    „Es ist eine Schande, Sie trotzdem auf der anderen Seite zu wissen.“
    „Noch bin ich nicht tot.“
    Großvater lachte leise und kämmte seinen Ziegenbart mit den Fingern.
    Romy stand auf und watschelte, so gut es die Kette zwischen ihren Fußgelenken zuließ, über den Perserteppich in den Wintergarten. Durch die Glasscheiben konnte sie die beiden Wachposten sehen, die auf dem Grundstück patrouillierten. Wenn Sie alles richtig übersah, waren es im Augenblick die einzigen Männer, die Großvater zur Seite standen. Eine bessere Gelegenheit zur Flucht kam nicht mehr. Sie war fest entschlossen, die Villa zu verlassen – und zwar nicht durch den Tunnel, so viel stand fest.
    Auch zu dieser vollen Stunde überraschte sie das plötzliche Getöse der Kuckuckskolonie völlig. Sie zuckte zusammen und hielt sich die Ohren zu, bis das letzte Türchen wieder zugeschlagen war.
    Als Romy ins Wohnzimmer zurückkam, saß Großvater noch auf dem Sofa. Er hatte die Augen geschlossen und schien mit einem glücklichen Lächeln dem verklingenden Hall seiner Uhren nachzulauschen. Sie blieb neben dem Ohrensessel stehen und beobachtete den Greis, der die Augen noch nicht wieder geöffnet hatte. War er eingeschlafen? Umso besser. Das machte es ihr leichter.
    Als sie Hand an ihn legte, spürte sie den Tod.
    Sie konnte es nicht glauben, aber alles deutete auf ein Herzversagen hin.
    Altersschwäche.
    Was für ein Abgang.
    Still und friedlich und zum Konzert seiner Lieblinge.

91
    Diesmal begleiteten Farang nur zwei Männer des Obersten Befehlshabers in die Oberwelt.
    Die Absprachen waren klar. Er sollte die ordnungsgemäße Übergabe von Urne und Dokumenten durch Haller garantieren. Wenn der Bestattungsunternehmer die Spielregeln einhielt und alles korrekt ablief, bekam Khun Heinz das restliche Geld und Khun Surasak seine Freiheit. Der Oberste Befehlshaber wurde in diesem speziellen Fall dem Namen seiner Bande gerecht – er zeigte Milde.
    Farang gönnte sich ein Lächeln. Die Geduld hatte sich ausgezahlt. Ausgerechnet im Geburtsland seines leiblichen Vaters war er klug genug gewesen, den vererbten Hang zum Aktionismus

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