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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D B Blettenberg
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Zahnfleisch, und das ausgetrocknete Lippenpaar war kaum auszumachen. „Der Abt erwartet Sie“, fügte der Mönch hinzu, bevor ihn ein Hustenanfall durchschüttelte.
    Farang verspürte den Wunsch, den Mann zu stützen. Rechtzeitig besann er sich auf das Berührungsverbot. Der Mönch drehte sich um und ging quälend langsam voran. Sie folgten ihm zögernd. Farang war jeden Moment darauf gefasst, den Mönch in der Sonnenglut stürzen zu sehen.
    Schließlich erreichten sie das kühle Hauptgebäude. Der Abt kam ihnen entgegen. Sie begrüßten den stämmigen Vorsteher des Tempels mit angemessener Demut, während ihr Führer sich zurückzog. Nachdem das übliche Ritual aus tiefen Verbeugungen und vor der Stirn gefalteten Händen erledigt war, gab sich der Abt als moderner Vertreter seines Standes zu erkennen. Er war ungezwungen und weltoffen, führte die Gäste herum und informierte sie umfassend. Er hatte genug Erfahrung mit einheimischen Offiziellen und ausländischen Spendern gesammelt.
    Farang blieb vor einer Buddhafigur stehen. Sie war überlebensgroß, aber nur ihr Kopf war noch zu sehen. Er ragte aus einem Berg weißer Stoffbündel hervor. Jedes Bündel war mit Schriftzeichen markiert. Am Fuß des Bündelberges reihten sich Urnen aus Bronze im Dutzend auf.
    „Das ist die Asche verstorbener Patienten. Leider haben die Angehörigen sie noch nicht abgeholt“, sagte der Abt. „Wir haben nicht genug Platz hier. Weder für die Toten noch für die Kranken.“
    „Wie viele Kranke beherbergt der Tempel?“, fragte Tony.
    „Gut zweihundert. Das sind zweihundert von abertausend Bedürftigen. Mehr können wir im Moment leider nicht tun. Wir haben schon jetzt eine Warteliste von rund fünftausend Personen.“
    Farang hatte die Artikel, die Tony ihm gegeben hatte, sorgfältig gelesen. Für die Kritiker war der Tempel eine Art Leprastation am Ende der Welt, ein Abfallhaufen für todgeweihte Kreaturen, deren Familien ihre Pflicht nicht mehr erfüllten und Schande auf sich luden. Auch die buddhistische Geistlichkeit hatte ein Imageproblem, denn unter den Infizierten befanden sich zunehmend mehr Mönche. Und selbst der einfache Mann auf der Straße wusste inzwischen: die Robenträger hatten sich das Virus nicht durch Pflegetätigkeit geholt. Der Respekt, den die Mönche genossen, erlitt Schaden. Für die Befürworter des Tempels war er ein Vorbild sozialer Fürsorge. Die Kapazität der Krankenhäuser reichte nicht aus. Der Staat war überfordert. Und auf die heiligen Werte und Pflichten der Familie war in modernen Zeiten zunehmend weniger Verlass.
    „Eine Zeit lang glaubten die Leute auf den Nachbarinseln und dem Festland, unsere Moskitos würden alle Welt anstecken. Einige glauben das auch heute noch.“ Der Abt lächelte nachsichtig. „Einige Dörfer haben uns sogar für eine Weile kein Essen und kein Geld mehr gespendet, obwohl wir dringend auf diese Gaben angewiesen sind.“
    Sie erreichten eine Krankenstation, auf der zwei junge Männer in hellblauen Kitteln Patienten wuschen. Die Pfleger taten ihre Arbeit behutsam und mit Geduld, und trotzdem machte Farang sich Sorgen um die fragilen Körper der Kranken. Er musterte die durchscheinenden Wesen, als kämen sie von einem anderen Stern. Dabei waren es seine Landsleute. Auch wenn einige nur noch ein Hauch ihrer eigenen Seele waren.
    „Wer zahlt die Pfleger?“, fragte Rojana.
    „Ein Teil des Gehalts wird vom Gesundheitsministerium aufgebracht. Der Rest wird aus internationaler Hilfe bezahlt.“ Der Abt führte sie in den Innenhof. „Wir haben trotz allem nicht genug Pfleger. Auch dafür reicht das Geld leider nicht.“
    Im Hof machte eine Gruppe Gymnastik. Diese Patienten waren noch nicht sichtbar von der Krankheit gezeichnet. Während sie rhythmisch auf- und niedersprangen, fiepte es in der Robe des Abts. Er lächelte in die überraschten Gesichter seiner Gäste, zog ein Handy aus den Tuchfalten und entfernte sich einige Schritte, um mit gedämpfter Stimme zu telefonieren.
    „Und“, fragte Tony, „bringt dich dieser Besuch weiter?“
    Farang schwieg und betrachtete die leeren Holzsärge, die an einer der Hofwände gestapelt waren. Schon während des Rundgangs hatte er überall auf dem Grundstück Särge bemerkt – neben den Schlafsälen der Mönche, vor der Krankenstation, sogar hinter der Küche. Hunderte von neuen Särgen.
    „Sie haben große Vorräte angelegt“, stellte Tony fest.
    „Damit kein Kranker vergisst, dass er nur auf Zeit hier ist.“
    Der Abt kam

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